Elektronen und Moleküle verändern die Mobilität

Im Juni 2020 hat die Bundesregierung die Nationale Wasserstoffstrategie auf den Weg gebracht. Für Teile des Busverkehrs kann Wasserstoff eine interessante Alternative sein. Die Rahmenbedingungen dafür müssen aber erst geschaffen werden.

Ein gewisses Aufatmen war zu spüren. Im Juni 2020 brachte die Bundesregierung die Nationale Wasserstoffstrategie auf den Weg. DMit dieser schuf sie den künftigen Handlungsrahmen für Erzeugung, Transport, Nutzung und Weiterverwendung von Wasserstoff und damit für entsprechende Investitionen in Innovationen. Wasserstoff soll danach als Energiespeicher und -träger, als Grundstoff für chemische und industrielle Prozesse sowie als Basis für synthetische Kraft- und Brennstoffe genutzt werden. Das Ziel: „grünen Wasserstoff“ nutzen, für diesen einen zügigen Markthochlauf unterstützen und entsprechende Wertschöpfungsketten etablieren. Zur Umsetzung werden 7 Mrd Euro für den Markthochlauf von Wasserstofftechnologien in Deutschland und 2 Mrd Euro für internationale Partnerschaften bereitgestellt.

Dekarbonisierung braucht Wasserstoff-Lösungen

Durch die Nationale Wasserstoffstrategie soll ein wichtiger Beitrag zur Minderung der CO2- (und weiterer) Emissionen im Verkehrssektor geleistet werden. Dabei setzt das Papier auf Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Im Fokus stehen Anwendungen in der Industrie und in Mobilitätsbereichen, die keine anderen technischen Lösungen zur Dekarbonisierung haben: Im Verkehr wird dabei die batteriebasierte mit der wasserstoffbasierten Mobilität ergänzt. Auch Power-to-X-Technologien wirken komplementär, denn die Speicherung und Nutzung von Stromüberschüssen wird künftig wichtiger – in Zeiten eines Überangebotes erneuerbarer Energien aus Solar-, Wind- und Wasserkraft.

Wasserstoff: Basis für Sektorenkopplung

Damit fossile Energieträger bis 2050 durch erneuerbare ersetzt werden können, wird grüner Wasserstoff benötigt, um die Sektorenkopplung von Energieerzeugung und Industrie, die Speicherung und in der Folge die Versorgungssicherheit zu einem akzeptablen Preis zu ermöglichen. Der Plan sieht zwei Phasen vor: Bis 2023 werden die Grundlagen für einen funktionierenden Heimatmarkt angestoßen. Von 2024 bis 2030 wird dieser gefestigt und zudem die internationale Versorgung von Wasserstoff gestaltet. Insgesamt sieht der Plan 38 Maßnahmen vor.

Wasserstoffproduktion und -verwendung im Inland nötig

Für den Markthochlauf von Wasserstofftechnologien ist eine starke und nachhaltige inländische Wasserstoffproduktion und -verwendung unverzichtbar. Der Bedarf wird zunächst zu einem großen Teil über Importe gedeckt, da mit dem Einsatz von Erzeugungsanlagen mit hoher Leistung auf nationaler Ebene erst ab Mitte der 2020er-Jahre gerechnet werden kann. Der Aufbau der Wasserstoffwirtschaft erfordert den massiven (inter)nationalen Ausbau erneuerbarer Energien.

Perspektivisch Erdgasinfrastruktur für Wasserstoff nutzen

Die Strategie formuliert das Ziel, Deutschland als Vorreiter bei grünem Wasserstoff zu etablieren. Importe und die Entwicklung von Absatzmärkten für Wasserstoff(folgeprodukte) setzen die Verfügbarkeit einer entsprechenden Transport- und Verteil-Infrastruktur voraus, insbesondere im Bereich der Fernleitungsnetze. Perspektivisch sollte ein Teil der Erdgasinfrastruktur auch für Wasserstoff genutzt werden können, jedoch verfügt sie derzeit unter anderem oftmals nicht über die für Wasserstoff benötigte Dichtheit.

Der Bau von Netzen, die ausschließlich zum Transport von Wasserstoff genutzt werden, ist ein wichtiger Bestandteil einer integrierten Infrastruktur. Bis zur Fertigstellung der dafür benötigten Infrastruktur kann der Transport von Wasserstoff und der Folgeprodukte im Schienengüterverkehr eine sinnvolle Alternative darstellen.

Gesamte Wirkungsgradkette betrachten

Zur Betrachtung der energetischen Effizienz ist es erforderlich, die ganze Wirkungsgradkette eines Antriebssystems zu betrachten. Diese sogenannte Well-to- Wheel-Betrachtung umfasst neben den Energieverlusten während des Betriebs (Tank-to-Wheel) auch die Erzeugung, Übertragung und Ladung (beziehungsweise Betankung) des Energieträgers (Well-to- Tank). Insgesamt sind die Verluste der Umwandlungskette beim Brennstoffzellenbus (Wirkungsgrad rund 30 Prozent) in etwa doppelt so groß wie bei rein durch Batterien versorgte Busse (Wirkungsgrad rund 60 Prozent). Das genaue Verhältnis ist jedoch stark abhängig von der Auslegung der jeweiligen Systeme.

Batteriebusse in der Stadt, Brennstoffzellen über Land

Beim innerstädtischen ÖPNV spricht sehr viel für die E-Mobilität und damit auch für batterieelektrische Busse. In besonderen Anwendungsfällen des ÖPNV wie beispielsweise im Überlandverkehr mit langen Umläufen oder auch in Städten mit einer sehr anspruchsvollen Topographie, wie bei den Stadtwerken Wuppertal und bei der SSB in Stuttgart, kann ein E-Bus mit zusätzlicher Brennstoffzelle eine sinnvolle Alternative darstellen.

Ein weiterer Grund zur Nutzung von Brennstoffzellen-Bussen kann sein, dass der Wasserstoff als Nebenprodukt aus der chemischen Industrie kostenlos oder zu einem günstigen Preis einem Verkehrsunternehmen zur Verfügung gestellt wird – wie beispielsweise bei der Regionalverkehr Köln GmbH. In Wuppertal wird der für den Betrieb benötigte Wasserstoff in einem besonders effizienten Verfahren von der ortsansässigen Abfallwirtschaftsgesellschaft produziert. Im Müllheizkraftwerk wird aus Wasser durch Elektrolyse Wasserstoff gewonnen, der dafür nötige Strom stammt aus der Müllverbrennung.

Nur wenige Hersteller von Brennstoffzellenfahrzeugen

E-Busse mit einer zusätzlichen Brennstoffzelle sind für höhere Tagesfahrleistungen also eine gute Alternative zu E-Bussen die nur über Batterien verfügen. In wenigen Minuten tanken die E-Busse mit Brennstoffzelle genügend Wasserstoff für 300 bis 400 km Fahrbetrieb. Damit bringen diese eine Flexibilität mit sich, die mit der eines Dieselbusses vergleichbar ist. Zudem lassen sie sich gut in die betrieblichen Prozesse von Verkehrsunternehmen integrieren. Die Zahl der Fahrzeughersteller, die derartige E-Busse mit Brennstoffzelle anbieten ist jedoch noch sehr gering, die Fahrzeuge befinden sich noch auf dem Stand von Vorserienfahrzeugen. Die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit im täglichen Betrieb ist ferner noch unzureichend. Insbesondere die Komplexität des Antriebsstranges und damit der Aufwand bei der Wartung und dem Betrieb zweier Tank- und Ladeinfrastrukturen muss bewertet werden.

Wasserstoff im Bus-Verbrennungsmotor

Eine Alternative zum Einsatz von Wasserstoff in einer Brennstoffzelle ist die Verwendung von Wasserstoff in Verbrennungsmotoren. Momentan werden diese nur zur Umrüstung von Fahrzeugen angeboten. Derartige Busse hatten in der Vergangenheit einen sehr hohen Verbrauch von Wasserstoff und somit eine geringere Reichweite als E-Busse (unter 200 km). Die Hersteller der in der Entwickelung befindlichen Motoren versprechen jedoch deutlich höhere Energieeffizienzen und damit zu erzielende Reichweiten.

Herausforderung: Lagerung und Transport von Wasserstoff

Eine Herausforderung stellen Lagerung und der Transport von Wasserstoff in ausreichender Menge dar. Für ein Verkehrsunternehmen ist es sinnvoll, einen zwei-Tages- Vorrat vorzuhalten. Das stellt einen guten Kompromiss zwischen Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit dar. Die Lagerung von Wasserstoff in den bis dato üblichen Mengen für nur wenige E-Busse mit zusätzlicher Brennstoffzelle stellt im Regelfall kein Problem dar. Wenn jedoch perspektivisch ein kompletter Betriebshof für den Betrieb von E-Bussen mit Brennstoffzelle umgerüstet werden soll, ist zu prüfen, inwieweit die Lagerung von Wasserstoff in der entsprechenden Menge realisierbar ist.

Bundesimmissionsschutzgesetz maßgeblich

Ab einer gelagerten Wasserstoffmenge von 3 t fällt der Genehmigungsprozess der Infrastruktur unter die 4. Verordnung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BIm- SchG), womit neben einem aufwendigeren Verfahren und Nachweispflichten oft auch längere Genehmigungszeiträume einhergehen. Bei großen Betriebshöfen kann der vorzuhaltende Wasserstoff auch eine Menge von 5 t überschreiten. Ab dieser Menge gilt zusätzlich die 12. BImSch-Verordnung, nach der Mindest- beziehungsweise Achtungsabstände zu schutzbedürftigen Einrichtungen wie Schulen und Wohnhäusern nachzuweisen sind. Unter den betrachteten Versorgungspfaden ist bei einer Flüssigwasserstofflagerung mit 160 m der größte Sicherheitsabstand einzuhalten, gefolgt von der gasförmigen Lagerung bei einem Druck von 500 bar und 200 bar (jeweils 90 m und 60 m).

Für weitere Informationen und zum Austausch zum Thema Wasserstoff stehen besondere Themenseiten auf vdv.de zur Verfügung.

Der Autor: Dipl.-Ing. Wolfgang Reitmeier, Fachbereichsleiter Betriebshöfe und Werkstätten, Elektromobilität, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln

Das Thema Wasserstoffbusse wird auf der 12. VDV-Elektrobuskonferenz vertieft behandelt. Die Konferenz findet am 16. und 17. März 2021 digital statt. Weitere Informationen unter www.ebuskonferenz.de

Fahrzeuge & Technik
Artikel Redaktion Bus&Bahn
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