„Wir können nicht stehen bleiben“

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD); Foto: BMU / Thomas Trutschel

Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat am  25. Juni 2021 eine Zwischenbilanz der Elektrobusförderung ihres Hauses ziehen. Auf der Onlinkonferenz „In Zukunft E-Bus!“ sollte es außerdem um den angestrebten Markthochlauf gehen. Wäre ein Angebotsausbau nicht sinnvoller als die Antriebswende, wollte der NaNa-Brief im Vorfeld von der SPD-Politikerin wissen. Die Fragen an Ministerin Schulze formulierten Manuel Bosch und Markus Schmidt-Auerbach.

NaNa-Brief: Dem Autoland Deutschland werfen Klimaschützer vor, die Verkehrswende nicht energisch genug zu betreiben. Macht es Sinn, Frau Ministerin Schulze, den „sauberen“ Euro-VI-Dieselbus abzuschaffen durch Elektrobusse zu ersetzen, solange der Strom dafür aus Braunkohle kommt?

Svenja Schulze: Luftschadstoffe und CO2-Emissionen müssen wir auseinanderhalten. Zwar stoßen moderne Euro-VI-Dieselbus weniger Schadstoffe aus. Aber Dieselbusse im ÖPNV setzen weiterhin insgesamt knapp drei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr frei. Wenn wir also die Klimaziele im Verkehr wirklich erreichen wollen, müssen wir auch den ÖPNV insgesamt klimaneutral machen.

Bereits mit dem heutigen Strommix haben Elektrofahrzeuge eine bessere Klimabilanz als Verbrenner. Das gilt für ihre gesamte Lebensdauer und auch, wenn man die CO2-Emissionen der Batterieproduktion einbezieht. Und diese Bilanz wird nach und nach besser, weil der Strommix immer „grüner“ wird. Der Umstieg auf Elektrobusse ist also der nötige nächste Schritt.

NaNa-Brief: Derzeit sind etwa 400 elektrische Linienbusse in Deutschland unterwegs, laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen ist etwa die doppelte Zahl bestellt. Jetzt steigt das Bundesumweltministerium aus der Förderung aus. Ist das der richtige Weg, damit Deutschland die Quoten für saubere Bus-Antriebe gemäß der Clean Vehicles Directive (CVD) und die neuen, verschärften Vorgaben des Klimaschutzgesetzes (KSG) für den Sektor Verkehr erreichen kann?

Schulze: Es wird ja nach wie vor eine Förderung geben. Wir haben uns mit dem Verkehrsministerium geeinigt, dass dies nun von dort aus erfolgt. Ohne das BMU mit dem frühzeitigen Einstieg in die Förderung wären wir nicht da, wo wir heute stehen. Dank unseres Förderprogramms rollen bald 1.500 Elektrobusse mehr durch deutsche Kommunen.

Wir haben damit eine ganz wichtige Initialzündung gegeben. So konnte sich überhaupt erst ein nennenswertes Angebot an Fahrzeugen auf dem Markt entwickeln. Das war unser Ziel und das haben wir voll erreicht! Das Standardgeschäft schafft jetzt das Verkehrsministerium.

NaNa-Brief: Wie kommen beispielsweise Regional-, Fern- und Reisebusse zu einem sauberen Antrieb? Sollten „grüne“ Wasserstoff-Lösungen für derartige Anwendungen gefördert werden? Wie technologieoffen soll der Pfad in die Zukunft sein?

Schulze: Im Regionalverkehr kommen Batteriebusse bereits zum Einsatz. Als Nächstes müssen wir im Fernverkehr den Umstieg auf klimafreundliche Antriebe schaffen. Dazu braucht es noch viel Forschung und Entwicklung. Dabei kann man auf Erfahrungen aus dem Lkw-Bereich zurückgreifen. Klar ist: Zentraler Maßstab bei der Entwicklung muss der Beitrag zum Klimaschutz und damit der effiziente Einsatz der erneuerbaren Energie sein, denn die steht nicht unbegrenzt zur Verfügung.

NaNa-Brief: Beim Klimaschutz geht es der Bundesregierung auch um die Transformation der deutschen Wirtschaft. Der Bund hat Millionen Euro an Steuermitteln bereitgestellt. Auf Ihrer Elektrobuskonferenz am 25. Juni wollen Sie ein Zwischenfazit zum BMU-geförderten Markthochlauf analysieren. Wann werden die Stückzahlen so groß sein, dass der Elektrobus zum Dieselbus konkurrenzfähig ist?

Schulze: Die Frage ist doch, worauf man Konkurrenzfähigkeit bezieht. Beim Einsatz der Elektrobusse gibt es für viele Zwecke keine gravierenden Nachteile gegenüber Dieselbussen mehr. Bei den Emissionen vor Ort ist der Elektrobus dem Dieselbus sogar deutlich überlegen. Wenn der CO2-Preis steigt und die Stromkosten sinken – etwa durch die Absenkung der EEG-Umlage –, wird der Kostenunterschied auf die Lebensdauer gesehen immer kleiner. Das ist nicht zuletzt das Ergebnis der BMU-Förderung von Elektrobussen sowie des Einsatzes bei der Novelle des EEG.

NaNa-Brief: Hat die deutsche Busindustrie aus Ihrer Sicht „geliefert“, ist sie für den heimischen und internationalen Markt gerüstet? Das Autoland Deutschland hat zweifellos Motorenkompetenz. Kann die Antriebswende im öffentlichen Verkehr helfen, eine eigene Batterieproduktion von Weltniveau zu entwickeln?

Schulze: Angesichts der stark zunehmenden Nachfrage nach E-Bussen haben viele Hersteller ihr Angebot deutlich ausgeweitet. Der gesamte Markt verändert sich und zeigt, wie chancenreich die Transformation der Automobilbranche sein kann. Die Produktion von Batterien spielt eine besondere Rolle. Der Aufbau dieses Wachstumssektors sichert viele Arbeitsplätze bei Herstellern und Zulieferern. Allerdings kommen die einzelnen Batteriezellen zumeist noch aus Teilen der Welt, wo die Bedingungen nicht immer transparent sind. Daher sollte auch die Zellproduktion in der EU angesiedelt werden.

Unser Alleinstellungsmerkmal muss sein: In der EU sind wir weltweit die ersten, die Batterien nach ökologischen Standards herstellen. Denn wenn erneuerbare Energien die Produktion antreiben, zahlt sich das für die CO2-Bilanz der Elektrofahrzeuge als Ganzes aus. Wenn wir die Rohstoffe ökologisch verantwortlich gewinnen und in die Entwicklung des Recyclings von Batterien investieren, schonen wir Ressourcen und mindern den Raubbau an der Natur.

NaNa-Brief: Braucht das „Gesamtsystem Elektrobus“ dauerhaft eine Förderung, weil es nicht nur um das teure Fahrzeug geht, sondern auch die – in Bau und Betrieb – teure Infrastruktur sowie Ineffizienzen durch Ladezeiten etcetera den E-Bus dauerhaft teurer machen werden als den Dieselbus?

Schulze: Genaue Prognosen über die Kosten in den kommenden Jahren sind schwierig. Nur ein Beispiel: Es gibt gerade eine intensive Debatte darüber, ob die Besteuerung von Diesel der von Benzin angepasst werden sollte. Eine solche Entscheidung hätte nicht zuletzt Auswirkungen auf die Kostenstrukturen bei den Verkehrsunternehmen. Fakt ist: Aktuell sind Elektrobusse noch teurer als Dieselfahrzeuge, weshalb eine Förderung noch nötig ist.

Am Ende ist der ÖPNV aber Daseinsvorsorge. Das ist eine Aufgabe, für die der Staat – sei es durch die kommunalen Aufgabenträger, die Länder oder auch den Bund – zu Recht viel Geld in die Hand nimmt. Und wenn wir unsere Klimaziele für den Verkehr ernst nehmen, müssen wir eben nicht nur das ÖPNV-Angebot ausbauen, sondern auch die Busflotten selbst klimafreundlich machen. Das kostet zusätzliches Geld, das aber gut angelegt ist. Denn es hilft nicht nur dem Klimaschutz, sondern verbessert zugleich die Lebensqualität in den Städten und auf dem Land.

NaNa-Brief: Macht es in diesem Zusammenhang Sinn, für Elektrobusse eine Ausnahme von der EEG-Umlage zu etablieren?

Schulze: Das BMU hat sich bei der letzten Novelle des EEG erfolgreich für eine Gleichstellung der Elektrobusse mit den Schienenbahnen eingesetzt. Das ist eine deutliche Absenkung der EEG-Umlage. So ist es dann ja auch vom Bundestag beschlossen worden.

NaNa-Brief: Corona und die Staatsfinanzen: Muss sich Deutschland entscheiden: saubere Flotten – oder mehr Angebot im ÖPNV?

Schulze: Wir müssen beides schaffen. Die Corona-Pandemie hat große Löcher in die öffentlichen Haushalte gerissen, das ist klar. Umso wichtiger war es, dass wir im vergangenen Jahr im Konjunkturprogramm Investitionen in Umwelt- und Klimaschutz fest verankert haben. Dafür habe ich mich sehr eingesetzt. Im Ergebnis konnten wir die Förderung für Busse mit alternativen Antrieben aufstocken und weitere Investitionen in den öffentlichen Verkehr ermöglichen. Es muss kein „Entweder-oder“ sein.

NaNa-Brief: Wäre es nicht viel sinnvoller, den Fokus viel stärker auf mehr Angebot im öffentlichen Verkehr zu lenken, auch wenn dort nicht der neueste und supersaubere Antrieb eingebaut ist? Ist eine Verdoppelung der Fahrgäste im Busverkehr bis 2030 nicht die bessere Hebelwirkung, ähnlich wie die aktuelle Regierung es sich 2018 für den Bahnverkehr vorgenommen hatte?

Schulze: Grundsätzlich ist die CO2-Bilanz des ÖPNV in Deutschland schon gut. Viele Kilometer werden elektrisch zurückgelegt, und der CO2-Ausstoß pro Kopf ist in einem gut besetzten Dieselbus geringer, als wenn die Menschen alleine im Auto unterwegs wären. Wir können hier aber nicht stehen bleiben. Denn das Erreichen der Klimaziele im Verkehr ist eine enorme Herausforderung. Das schaffen wir nur, wenn wir sowohl den ÖPNV ausbauen und attraktiver machen als auch den Umstieg auf Elektrobusse vorantreiben.

NaNa-Brief: Frau Ministerin Schulze, vielen Dank für Ihre Antworten! (mb/msa)

Personen & Positionen
Artikel Redaktion Bus&Bahn
Artikel Redaktion Bus&Bahn