„Eine Zeitlang ist es recht ruppig zugegangen“

Die letzte Staatsbahn-Tochter hat den Wettbewerberverband Mofair verlassen und dabei die Verbandsspitze öffentlich attackiert (Ausg. 3/14). Im Interview mit „ÖPNV aktuell“ weist Präsident Wolfgang Meyer Vorwürfe zurück und verteidigt seine gelegentlichen Überzeichnungen. Nur so hätten die „Kleinen“ der übermächtigen DB Zugeständnisse abtrotzen können. Geschenkt werde ihnen auch in Zukunft nichts, findet Meyer. Deswegen hält er Mofair auch weiterhin für erforderlich. Für den VDV bricht er eine Lanze, sieht dessen Ausschuss für Wettbewerbsfragen (AWE) aber kritisch. Für Mofair hingegen könne sich die neue Mitgliederstruktur als Vorteil herausstellen. Die Fragen stellte Chefredakteur Markus Schmidt-Auerbach.

Herr Meyer, Keolis-Deutschland-Chef Roland Zschunke hat über „ÖPNV aktuell“ Ihnen und dem Mofair-Hauptgeschäftsführer Engelbert Recker einen Konfrontationskurs zur DB vorgeworfen. Keolis hat nun seinen Austritt aus Mofair erklärt, Zschunke sein Vizepräsidentenamt niedergelegt. Auch der ein oder andere Branchenakteur sieht Sie als Scharfmacher. Zu Recht?
Wolfgang Meyer: Dafür zu sorgen, dass es fairen Wettbewerb gibt, kann nur jemand, der von den Interessen der marktbeherrschenden Unternehmen frei ist und objektive Positionen vertreten kann.
Wer die Art und Weise kritisiert, wie Mofair versucht, sich Gehör zu verschaffen, sollte nicht vernachlässigen, welche Mittel ein so kleiner Verband zur Verfügung hat, um die Interessen seiner Mitglieder zu vertreten.
Dazu gehört dann auch an der einen oder anderen Stelle die Überzeichnung. Das mag nicht jedem gefallen und ich gestehe zu, dass es eine Zeitlang recht ruppig zugegangen ist. Aber auf beiden Seiten. Ich erinnere nur an die Mehdorn-Ära.
Die Mehdorn-Ära ist nun aber schon einige Jahre vorbei. Warum haben Sie Zschunkes Anregungen zu einem stärker partnerschaftlichen Umgang zwischen der großen DB und den Wettbewerbsbahnen nicht aufgegriffen?
Meyer: Dann müsste es solche Anregungen und Gespräche auch tatsächlich gegeben haben. Nach Herrn Zschunkes Angaben hat er uns mehrfach um eine Kurskorrektur gebeten. Ich bedauere diese öffentliche Darstellung – sie zwingt uns leider zu einer öffentlichen Gegendarstellung: Solche Gespräche oder auch nur Gesprächswünsche zur Ausrichtung des Verbands hat es überhaupt nie gegeben, null.
Im Gegenteil: Anregungen zu Treffen wurden von ihm nicht aufgegriffen, der einzige fest vereinbarte Termin wurde durch mich angeregt und durch ihn abgesagt, und an den Sitzungen der Verbandsgremien hat er auch nicht teilgenommen. Es hat lediglich ein Gespräch zwischen Herrn Recker und Herrn Zschunke zum Thema Pönalen gegeben.
Vor Keolis Deutschland haben bereits Arriva, heute als Netinera firmierend, sowie Abellio Ihren Verband verlassen. Kommt bei Mofair damit das Ende des Kapitels „SPNV-Interessenvertretung“?
Meyer: Ganz und gar nicht. Mit National Express (NX) haben wir nach wie vor einen wichtigen Akteur an Bord. Dieses Mitglied ist zudem weder direkt noch indirekt durch eine Staatsbahn beherrscht – im Unterschied zu unseren Kritikern, deren Eigentümer zuhause Monopole zu verteidigen haben, die sie durch das 4. Eisenbahnpaket bedroht sehen. Die neue Mitgliederstruktur hat auch ihre Vorteile!
Keolis Deutschland sieht den AWE, also den Ausschuss für Wettbewerbsfragen im VDV, als das bessere Gremium an, um Konflikte zwischen Wettbewerbsbahnen und der Staatsbahn konstruktiv zu lösen. Hat sich Mofair also überlebt?
Meyer: Der AWE ist kein Beschlussorgan, er ist in der VDV-Satzung nicht verankert. Seine Mitglieder dürfen sich treffen und Meinungen austauschen. Sie sitzen am Katzentisch, wie man in Deutschland so schön sagt.
Das mag den AWE-Akteuren genügen. Es ist eben Ausdruck von Machtverhältnissen. Und von Opportunismus, den ich zu Teilen auch für legitim halte. Ich kann aber nicht erkennen, was der AWE für die Wettbewerbsbahnen bewegt hätte, weder beim Bahnstrom noch der Pflicht zur Ausschreibung, auch nicht beim Verschluss von Wartungseinrichtungen oder der Quersubventionierung von Verkehrsverträgen.
Betreiben Sie nun Verbandsschelte? 
Meyer: Nein, weil dies nur Wasser auf die Mühlen derjenigen wäre, die Wettbewerb ohnehin nicht als das richtige Mittel ansehen.
Ich möchte an dieser Stelle sogar eine Lanze für den VDV brechen. Der VDV erfüllt eine wichtige Funktion für die ganze Branche. Dies haben wir als Mofair auch immer zum Ausdruck gebracht.
Die Branche braucht eine Interessenvertretung, die über alle Unterschiede hinweg ein Sprachrohr ist, insbesondere bei technischen Fragen, sicher auch beim Einfluss auf die Politik, wenn es um Infrastrukturfinanzierung, die Regionalisierungsmittel oder andere Fragen geht. Das habe ich in persönlichen Gesprächen immer wieder deutlich gemacht, auch gegenüber dem VDV-Präsidenten und anderen Repräsentanten.
Was der VDV nicht sein kann, ist die Interessenvertretung von Unternehmen zur Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen. Das würde den Bock zum Gärtner machen.
Meinen Sie mit dem „Bock“ den ehemaligen Monopolisten DB?
Meyer: Nicht nur. Und im Falle der DB trifft die Bezeichnung „ehemaliger Monopolist“ ja nur auf die Betriebstöchter im Nah- und Güterverkehr zu. Im Fernverkehr, bei der Infrastruktur und im Vertrieb haben wir es nach wie vor mit Monopolstrukturen zu tun. Nicht umsonst hat das Bundeskartellamt jetzt ein Prüfverfahren zu DB Vertrieb eingeleitet.
Der VDV wird in seinen Gremien im Wesentlichen durch Unternehmen repräsentiert, die ihren Status als „ehemalige“ Monopole oder deren Dienstleister verteidigen wollen. Es ist aber nicht fair und kostet den Steuerzahler viel Geld. Es entspricht auch nicht unserer Wirtschaftsordnung.
Nicht umsonst wurde der Höchstbeitrag der DB beim VDV begrenzt, weil der Konzern nach den VDV-Regelungen andernfalls alles dominiert hätte.
Wollen Sie Keolis Deutschland trotzdem ein „Rückkehrergespräch“ anbieten?
Meyer: Das Unternehmen profitiert heute in vielen Bereichen vom Mofair-Einsatz für eine fairere Marktordnung, und das ist gut so.
Die Arbeit ist aber nicht zu Ende, wir müssen sogar vermeiden, dass es zu einem Rückfall in alte Muster kommt. Deshalb ist unsere Arbeit weiterhin wichtig. Ich lade Keolis Deutschland, seine Vertreter, aber auch andere Unternehmen herzlich ein, sich dabei einzubringen.

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Interview von Ausgabe 5/14
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