„Unschöne Entwicklungen, die uns wirklich Kummer machen“

Was ist aus der Drohung des Landesverbandes Bayerischer Omnibusunternehmen (LBO) geworden, die Direktvergabe an die Stadtwerke Augsburg anzugreifen? Gibt es auch in anderen Städten oder Landkreisen Spannungen zwischen dem Mittelstand und den kommunalen Aufgabenträgern? Zu diesen Fragen hat Rechtsanwalt Horst Schilling, geschäftsführende LBO-Präsidialmitglied, dem Chefredakteur von „ÖPNV aktuell“ Markus Schmidt-Auerbach Rede und Antwort gestanden.

Herr Schilling, das politische Berlin ist schon in der Sommerpause, für das politische München geht es auch bald in die Ferien. Tritt nun auch der LBO kürzer?
Horst Schilling: Wir sind Lobby-, aber auch Serviceverband für den Mittelstand. Über das ganze Jahr rollen die Busse unserer Mitglieder, von morgens früh bis spät in die Nacht, und sorgen so für Mobilität in Bayern. Die LBO-Geschäftsstelle ist selbstverständlich auch in den Sommermonaten für die Mitglieder da.
Die Aufgabenträger im Augsburger Verkehrsverbund (AVV) haben sich auf Ausschreibungen verständigt, der Verbund hat die ersten Verfahren für die sog. „Stauden“-Bündel im Landkreis Augsburg inzwischen angeschoben. Der LBO hat daraufhin eine Prüfung der Augsburger Direktvergabe angekündigt. Was ist daraus geworden?
Schilling: Wir gönnen den kommunalen Kollegen ihre Direktvergabe. Leider krankt das EU-Regime an einem entscheidenden Punkt: Der Aufgabenträger kann sein eigenes Unternehmen schützen, gleichzeitig aber alle anderen Marktteilnehmer dem Wettbewerb aussetzen. Das ist nicht fair.
Voraussetzung für eine kommunale Direktvergabe ist, dass das Unternehmen mehr als 50 % der Einnahmen vom Fahrgast erzielt. Beim außerordentlich hohen Defizit der Augsburger Verkehrsgesellschaft sind wir noch nicht überzeugt, dass diese Bedingung tatsächlich erfüllt ist.
Vielleicht müssen eines Tages die Gerichte darüber entscheiden. Vielleicht auch darüber, ob man eigenwirtschaftliche Verkehre absichtlich in die Gemeinwirtschaftlichkeit überführen darf. Ich erinnere an den Auftrag in Paragraf 8 des PBefG: „Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr sind eigenwirtschaftlich zu erbringen.“
Der AVV will, ähnlich wie der Münchner Verkehrsverbund MVV zuvor, im Regionalbusverkehr einen einheitlichen Qualitätsstandard etablieren. Sehen Sie darin die Gefahr der Eigenwirtschaftlichkeit?
Schilling: In mehreren bayerischen Städten und Landkreisen beobachten wir diese Entwicklung: Wer etwas gegen den Mittelstand in dieser Branche hat, legt die Latte so hoch, dass der alte, eigenwirtschaftliche Betreiber nicht mehr hinüberkommt. Dann wird der Verkehr rekommunalisiert – und anschließend darf der örtliche Steuerzahler ein Riesendefizit ausgleichen.
In diese Kategorie fallen auch neue Rufbussysteme, die von den Genehmigungsinhabern künftig mitbetrieben werden sollen. Ich kann aber die angebliche Einheit zwischen einem regelmäßigen Linienverkehr und einem taxiähnlichen Rufbusverkehr beim besten Willen nicht erkennen. Da muss man schon erhebliche juristische Klimmzüge machen, wenn man das durchbekommen will.
Haben Sie noch Hoffnung, dass es im AVV zu einem Konsens kommen wird, oder gehen Sie von einer Konfrontation aus?
Schilling: Einerseits haben wir die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die Aufgabenträger und mit ihnen der AVV die Möglichkeiten nutzen werden, die die EU-Verordnung 1370/07 auch für Direktvergabe an kleine und mittlere Unternehmen bietet.
Woraus nährt sich Ihre Zuversicht?
Schilling: Ohne dass der Aufwand unserer Mitglieder zurückgegangen wäre.
Einen neuen EAV gibt es bis heute nicht. Nach allem, was ich höre, zeigen sich die Aufgabenträger nun aber flexibel – bis auf wenige Ausnahmen. Man hat die LBO-Argumente offensichtlich gewürdigt.
Angeblich soll der LBO jedoch seinen Sitz als beratendes Mitglied im AVV-Aufsichtsrat verlieren. Was ist dran?
Schilling: Das ist eine der unschönen Entwicklungen, die uns wirklich Kummer machen. Übrigens soll nicht nur der Mittelstand seinen Sitz verlieren, auch das Staatsministerium für Inneres und Verkehr.
Der Münchner MVV ist im großen und ganzen gut damit gefahren, Leistungen und Preise im Konsens zu verhandeln. Leider wird aber auch im MVV nahezu alles ausgeschrieben, es sei denn die Verkehre erbringt ein Kommunalunternehmen.
Aber im Stadtverkehr München arbeiten die MVG, Stadtwerke München, seit Jahrzehnten partnerschaftlich mit den Privaten zusammen. Die Qualität im Busverkehr ist hoch. Das Beispiel des Stadtbusverkehrs München zeigt, dass es eine Alternative zur Vergabe im Wege der Ausschreibung gibt.
Vielleicht ist das ja ein Vorbild für den AVV. Ein System „Hessen“ mit seinen radikalen Ausschreibungen zerstört hingegen die Anbietervielfalt. Den Bestellern gehen die Ersteller aus.
Oder warum sonst kehrt sogar eine Stadt wie Frankfurt am Main wieder zur Direktvergabe im Busverkehr zurück?

Personen & Positionen
Interview von Ausgabe 31/14
Interview von Ausgabe 31/14