„Wir gewinnen wieder Ausschreibungen im Busgeschäft“

Das „hässliche Entlein“ Veolia Verkehr ist für Transdev zum Schwan avanciert. Weltweit, insbesondere aber in Frankreich, wird die deutsche Landesgesellschaft Aufgabenträgern als Referenz für den Schienennah- und -fernverkehr präsentiert (ÖPNV aktuell 25/14). Doch gilt das auch für die Gummisparte des Konzerns? Dazu hat Axel Sondermann Fragen von „ÖPNV-aktuell“-Chefredakteur Markus Schmidt-Auerbach beantwortet.

Herr Sondermann, Veolia Verkehr darf auf der Schiene offensichtlich weiterrollen: Die Mutter Transdev stellt die deutsche Filiale in Frankreich und weltweit als Kompetenzcenter für SPNV und SPFV vor. Ihr Haus nimmt hierzulande wieder an Ausschreibungen für Schienenleistungen teil – und zeigt dabei, dass es das Zeug zum Bestbieter hat, siehe RX Halle – Goslar. Und mit Christian Schreyer hat Ihr Gesellschafter wieder einen Landeschef für Veolia Verkehr gefunden, der dafür eine Karriere bei der Deutschen Bahn aufgibt.
Axel Sondermann: Allein schon diese Personalie unterstreicht, dass man mit uns wieder rechnen muss, dass man bei uns Karriere machen kann, dass wir Zukunft haben.
Aber im Busbereich ist es merklich still. Sie haben sich an der letzten Frankfurter Ausschreibung nicht beteiligt, ebenso wenig wie an den vorhergehenden, hört man.
Sondermann: Für Traffiq bedienen wir noch bis Dezember 2016 das Bündel E und bis Dezember 2018 das Bündel A, zwei ganz wichtige Aufträge. Man schaut sich natürlich jede Ausschreibung an. Für eine Wettbewerbsteilnahme muss es passen. Insgesamt gibt es in diesen Tagen durchaus positive Zeichen, dass wir wieder Ausschreibungen und andere Vergaben im Busgeschäft gewinnen.
Zweites Beispiel: Sie haben dem Landkreis Nordsachsen im dritten Anlauf kein Angebot mehr unterbreitet, so dass es düster für Saxbus aussieht … 
Sondermann: Der Zuschnitt der Ausschreibung und das Missverhältnis zwischen dem geforderten Angebot und den zur Verfügung stehenden Mitteln haben uns zu diesem Schritt bewogen. Ein Teil hat auch eine Vergabeprüfung beigetragen. Wir hoffen, dass der Aufgabenträger die Verdingungsunterlagen so überarbeitet, dass Verkehrsunternehmen wirtschaftlich auskömmliche Angebote abgeben können.
Und, drittens, Sie haben Beteiligungen abgegeben, VWS Siegen etwa an die private Wern-Gruppe. Die Anteile  am SVP gehen zurück an die Stadt Pforzheim, und auch der Personenverkehr Müritz (PVM) soll rekommunalisiert werden.
Sondermann: Bei PVM hätten wir aus heutiger Sicht gerne weitergemacht. Der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte hat sich politisch entschieden, die Privatisierung zurückzunehmen und eine vereinte Kreisbusgesellschaft aufzubauen. Eine Entwicklung, wie sie übrigens für ganz Mecklenburg-Vorpommern typisch ist. In Pforzheim haben sich die Rahmenbedingungen deutlich verändert, unter anderem durch das neue Landestariftreuegesetz. Alle Beteiligten standen daher vor der Alternative: Betreiben wir bis zum Ablauf des Verkehrsvertrages 2016 die maximale Sanierung – oder gehen wir einen anderen Weg? Vor diesem Hintergrund haben sich die Stadt Pforzheim als Aufgabenträger und als SVP-Miteigentümer, die Beschäftigten und wir jedoch entschlossen, einen Schritt zurückzugehen und einen neuen Anlauf zu nehmen. Ich bin zuversichtlich, dass die SVP nach den jüngsten Entwicklungen eine gute Entwicklung nehmen wird.
Zusammenfassend gefragt: Hat bei Veolia Verkehr nur die Schiene wieder Zukunft, nicht aber der Bus?
Sondermann: Im Gegenteil. Wir haben eine klare Strategie. Die Zeit der Portfoliobereinigung ist jetzt vorbei. Wir wollen wieder wachsen. Veolia Verkehr hat 5.350 Mitarbeiter, etwa hälftig Schiene/Bus. Wir sind verantwortlich für ein Geschäft mit einer Flotte von 1.750 Bussen und damit die Nummer zwei nach der DB und vor Rhenus Veniro. 35 Filialen und 52 Standorte im Busgeschäft sind eine gute Basis, um das kleinteilige ÖPNV-Geschäft zu bearbeiten. Wir sehen Chancen durch den Wettbewerb infolge der EU-Verordnung 1370/07.
Andere Konzerne sagen Deutschland ade, Sie trauen sich wieder Wachstum zu. Wie passt das zusammen?
Sondermann: Wir wollen wachsen, aber nicht um jeden Preis, sondern wirtschaftlich und nachhaltig. Und dabei kommen wir gut voran, insbesondere in unserer „Südwestbanane“ vom Mittelrhein über die Pfalz und Baden, Schwaben bis Oberbayern. Wir sprechen mit den Aufgabenträgern, um das Bestandsgeschäft zu sichern oder Preisindexierungen durchzusetzen.
Arrondierungen spielen eine wichtige Rolle. Je reifer und enger ein Markt wird, desto komplexer werden auch Ausschreibungen. Hier können wir uns als Konzern sehr gut einbringen.
Als Gruppe verfügen Sie vielleicht über komplexe Stabsabteilungen. Aber andere Probleme können Sie damit nicht lösen, weder die zunehmende Finanzierungslücke noch den zunehmenden Fahrermangel. Wie agieren Sie hier?
Sondermann: Wir versuchen natürlich, uns stark zu vernetzen, um auf die Bedeutung von ÖPNV-Finanzierungsmitteln hinzuweisen und ein entsprechendes Bewusstsein für die angesprochene Finanzierungslücke zu schaffen.
Dafür treten wir in Kontakt mit Verbänden und Initiativen, zum Beispiel im Bereich der Busförderung oder Schülerverkehrsfinanzierung. Oberstes Ziel ist es, mit den zur Verfügung stehenden, finanziellen Mittel ein attraktives Angebot für unsere Kunden zu gestalten und gleichzeitig die Effizienz der Verkehre zu steigern. Dafür begehen wir auch kreative Wege in Form neuer Verkehrskonzepte oder versuchen, etwa durch alternative Bedienformen wirtschaftliche Ergänzungsangebote zu schaffen.
Hinsichtlich des zunehmenden Fahrermangels: Tatsächlich hat die Branche in vielen Regionen Nachwuchssorgen. Wir haben deswegen ein gemeinsames Interesse, den Fahrerberuf aufzuwerten. Die Schienenbahnen sind hier bereits gemeinsam sehr aktiv: Ich freue mich, dass die Allianz pro Schiene in diesem Jahr einen meiner Kollegen als „Eisenbahner mit Herz“ mit der Goldmedaille ausgezeichnet hat, nämlich Dylan Bevers von der Nordwestbahn. Vielleicht sollten wir als Branche jährlich auch einen „Busfahrer mit Herz“ küren!
Im Unterschied zu DB Bus ist Veolia Verkehr weniger stark im Mittelstand verankert. Soll sich daran etwas ändern?
Sondermann: Von unserer Flotte werden heute etwa 300 Einheiten durch private Partner betrieben. Bei unserem Bundeswehrauftrag – ein sehr wichtiger Auftrag, der gerade verlängert wurde, was auch unsere gute Leistung im Flutsommer 2013 honoriert – setzen wir ausschließlich auf unsere Partner.
Wir wägen jeweils ab zwischen Eigenerbringung und Subvergabe und zwar ohne Festlegung einer Quote. Im Zusammenspiel von Aufgabenträger, örtlichem Mittelstand und Konzern-Know-how wollen wir eine Win-win-Situation für alle Beteiligten schaffen.
Der Mittelstand ist nicht nur Partner, sondern auch Gegner. Gerade in Rheinland-Pfalz ist dieses Branchenlager zulasten der etablierten Anbieter erstarkt. Am Mittelrhein setzt Zickenheiner ihren Gesellschaften zu, hat zum Beispiel ein eigenwirtschaftliches Gegenangebot für den Stadtverkehr Neuwied unterbreitet.
Sondermann: Wir stellen uns nicht nur dem Ausschreibungs-, sondern auch dem Genehmigungswettbewerb. Aber wir fordern Fairness. Als Gruppe mit Sozialstandards für unsere Mitarbeiter, wie Tarifbindung und Mitbestimmung, fordern wir dies als Standard auch im Wettbewerb. Wir werben im Interesse unserer Arbeitnehmer für die Vorgabe von Tarifstandards und Betriebsübergängen. Sozialpläne verteuern nicht nur unser Geschäft, sie verunsichern in einem hohen Maße auch die Beschäftigten. Und wir leiden erheblich durch die langen Verwaltungsgerichtsverfahren und die damit verbundene Rechtsunsicherheit. Für diese Form von Wettbewerb besteht gesetzlicher Veränderungsbedarf.

Personen & Positionen
Interview von Ausgabe 28/14
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