„Wir müssen innovativ sein ohne Kirchturmdenken“

Die Deutsche Bahn (DB) fühlt ihre Forderung nach einem unternehmerisch geprägten ÖPNV im Bundestagsverkehrsausschuss auch ohne eigene Einladung gut vertreten – durch den Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und den Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO). DB-Bus-Manager Alexander Möller bekräftigt im Interview mit „ÖPNV aktuell“ die Kritik an der von Politik, Verbrauchern und Arbeitnehmern teilweise geforderten Aufwertung der Nahverkehrspläne und den damit verbundenen Systemwechsel. Kritisch sieht er, dass der Verkehrsclub Deutschland (VCD) für die Anhörung am kommenden Mittwoch den KCW-Geschäftsführer Jan Werner als Experten benannt hat. Von der öffentlichen Hand erwartet die DB möglichst rasch finanzielle Planungssicherheit, damit die Branche Mobilität stabil bereitstellen und makeln kann.

Die DB, mit ihren Bussen einer der größten Player im deutschen Nahverkehr, ist zur PBefG-Anhörung im Verkehrsausschuss nicht eingeladen. Ist das ein Nachteil, oder eher ein Vorteil?“ 

Alexander Möller: Das ist völlig in Ordnung. Die Deutsche Bahn ist Mitglied im VDV und unsere Busgesellschaften sind Mitglied in den Landesverbänden des privaten Omnibusgewerbes. Wir fühlen uns durch VDV und BDO gut vertreten. 

Welche Marktordnung im ÖPNV hält Ihr Haus für die beste? Wie viel Aufgabenträger-, wie viel Unternehmensinitiative ist sinnvoll? 

Möller: Die bestehende Marktordnung hat sich bewährt. In den letzten Jahren ist im Interesse unserer Kunden viel im ÖPNV geschehen. Die Branche hat ihre Leistungen deutlich verbessert, ganz überwiegend auch ihre Wirtschaftlichkeit. Es gibt außerdem mehr Unternehmen am Markt, was ebenfalls zeigt, dass es mehr Wettbewerb gibt.  

Ist es aus DB-Sicht akzeptabel, dass die kommunalen Aufgabenträger künftig die Aufgaben der staatlichen Genehmigungsbehörden übernehmen? Schließlich müssen die Kommunen das Angebot auch im wachsenden Maß finanzieren. 

Möller: Spieler und Schiedsrichter gehören nicht in eine Mannschaft. Das hat mit Finanzierungsströmen nichts zu tun. Wir schaffen ja auch nicht die Kommunalaufsicht in den Ländern ab.  

Durch welche Experten sehen Sie die Vorstellungen von DB Regio Bus zur künftigen Marktordnung am besten vertreten? 

Möller: Die Vertreter von VDV und BDO haben bislang gegenüber der Politik die größte Kompetenz bewiesen; Kompetenz vertritt Positionen – auch unsere – immer am glaubwürdigsten und besten.  

Gilt dies auch für die BDO-Forderungen zur Öffnung des nationalen Fernbusverkehrs? 

Möller: Ich erlebe die BDO-Spitze in der Frage des Grads der Liberalisierung – Stichwort: Betriebspflicht – deutlich zurückhaltender, als es andere immer über den BDO sagen. In den Gesprächen mit mittelständischen Kollegen vor Ort oder Diskussionen in den Landesverbänden der Privaten spüre ich dieselbe Skepsis, die wir auch haben, nämlich ob dies aus Unternehmenssicht ein lukratives Geschäft wird. 

Welche Schnittmengen gibt es mit den Gewerkschaften? Immerhin hat sich Ihr Vorstand Michael Hahn mehrfach öffentlich für Sozialstandards bei Betreiberwechseln, etwa in Form des Betriebsübergangs, stark gemacht, etwa im Interview mit ÖPNV aktuell (Ausg. 41/11) oder auf der Fachveranstaltung „DB Regio Signale“ (ÖPNV aktuell 87/11). 

Möller: Wir brauchen klare Regeln für den Umgang mit den Beschäftigten im Wettbewerb. Wir können nicht jammern, dass wir keine Beschäftigen mehr finden und sie gleichzeitig wie Produktionsmittel behandeln. Ein gesetzlich verankerter Betriebsübergang hilft da. In Sonntagsreden die Interessen der Arbeitnehmer vertreten und montags bei Ausschreibungen diese Interessen vergessen, ist weder kulturell noch wirtschaftlich vernünftig. Unternehmerisch schafft der festgeschriebene Betriebsübergang Planungssicherheit für alle, die sich um die jeweilige Ausschreibung bemühen. Das gilt für Altbetreiber genauso wie für deren Wettbewerber.

Wie steht die DB zu den Positionen der Fahrgast- und Verbraucherverbände? Interessanterweise treten sie allesamt für eine Deregulierung des Ordnungsrahmens ein, wo dieser Innovation und damit Unternehmertum blockiert – ob beim nationalen Fernbus, ob beim lokalen Seniorenbus. 

Möller: Der VCD hat Recht, wenn er das Ziel formuliert, „einen aus Fahrgastsicht attraktiven und umweltschonenden Nahverkehr“ zu schaffen. Die Bedeutung des Nahverkehrsplans ist grundsätzlich auch richtig beschrieben. Dass der VCD an dessen Aufstellung vor Ort beteiligt sein will – er schreibt ja von der „Beteiligung der legitimen Interessenvertretungen“ – ist auch in Ordnung. Der von ihm angestrebte Systemwechsel ist jedoch nicht nachvollziehbar. Und wenn der VCD diesen Systemwechsel dann im Deutschen Bundestag von einem Unternehmensberater vertreten lässt, dessen Geschäftsmodell ganz wesentlich auf diesem Systemwechsel beruht, dann ist das ein bemerkenswerter Vorgang zum Thema Lobbying und Transparenz. 

DB Regio Bus stellt inzwischen in großem Stil Linien und Verkehrsverträge auf den Prüfstand. Geben die Aufgabenträger bei kritischer Ertragslage keine zusätzlichen Mittel, macht die Gruppe ernst und zieht sich sogar aus jahrzehntelang gehaltenen Schlüsselbereichen zurück. Wie passt diese neue Strategie zur Forderung nach Unternehmertum im Nahverkehr? 

Möller: Die Branche ist in schwerem Fahrwasser unterwegs; der Markt ist im Umbruch und zunehmend unterfinanziert. Das zwingt uns dazu, unsere Geschäfte auf den Prüfstand zu stellen. Wir sind dazu mit unseren Aufgabenträgern und unseren mittelständischen Partnern im Dialog. Wir erklären, diskutieren und im besten Fall finden wir gemeinsam Lösungen. Das ist Unternehmertum im Nahverkehr. Immer mehr Wettbewerb, immer weniger Anteil an Wertschöpfungsketten und immer höhere Kosten können nicht ohne Folgen für das Handeln der Unternehmen am Markt bleiben. Das sind wir unserem Eigentümer und unseren Beschäftigten schuldig. 

Sehen wir einmal von der Frage nach der neuen Marktordnung ab: Was sind aus Ihrer Perspektive die wichtigsten Fragen der nächsten Zeit?

Möller: Wir müssen bei höchster Produktionsstabilität Menschen für unsere Angebote begeistern und davon als Unternehmen, unabhängig von unserer jeweiligen Eigentümerstruktur, auskömmlich leben können. Wir brauchen dafür Planungssicherheit für den Teil des ÖPNV, den die öffentliche Hand auf Schiene und Straße finanzieren muss. Und wir müssen innovativ sein ohne Kirchturmdenken. Wir können als Branche E-Ticketing, und wir können als Branche intermodal arbeiten. Wir brauchen zum Beispiel für alles rund um das Auto die Hersteller. Bei den Angeboten für unsere Kunden als Mobilitätsmakler der unterschiedlichen Verkehrsträger brauchen wir nur unsere eigene Kraft. Sonst verlieren wir Gestaltungsspielräume und unsere Kunden. 

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Interview von Ausgabe 16/12
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