„Wir rufen nicht gleich nach der Gemeinwirtschaftlichkeit“

„Stadt, Land, Bus“ – so hat der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) seinen Bundeskongress am 17. und 18. April überschrieben, und damit ein wesentliches Spannungsfeld der aktuellen und künftigen Nahverkehrspolitik umrissen. Doch Hauptgeschäftsführerin Christiane Leonard hat auch den Reiseverkehr im Blick, wenn sie für eine busgestützte Mobilität und einen Finanzierungskreislauf „Straße“ wirbt. Sie stellte sich den Fragen von Markus Schmidt-Auerbach. Der Chefredakteur von „ÖPNV aktuell“ wird im BDO-Auftrag auf dem Kongress einige Podiumsrunden moderieren.

Am kommenden Mittwoch und Donnerstag lädt der BDO zum Bundeskongress „Stadt – Land – Bus" ein, der ersten Großveranstaltung des Verbands in Ihrer Ära. Wie groß ist das Lampenfieber?

Christiane Leonard: Wir sind bestens vorbereitet, vor allem aber: Unsere Themen finden Anklang. Ich erwarte 370 Teilnehmer, davon 300 Busunternehmer. Mit Verkehrsminister Peter Ramsauer, Staatssekretär Andreas Scheuer und einer Reihe von Bundestagsabgeordneten aus allen Fraktionen ist zudem eine weitere Zielgruppe, die Politik, hochkarätig vertreten.

Welche Wünsche will die BDO-Hauptgeschäftsführerin dem Minister und den Verkehrspolitikern mit auf den Weg geben?

Leonard: Nun, nicht nur Wünsche, sondern unseren Dank für die PBefG-Novelle. Sie sorgt nicht nur für weitgehende Rechtssicherheit, sondern bewahrt und bestätigt auch den Kern unserer Marktordnung: den Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre. Für den Mittelstand war und ist das eine zentrale Forderung. Unsere Mitglieder gehen seit Jahrzehnten unternehmerisch ins Risiko, um die Fahrgäste optimal zu bedienen und so – auch im öffentlichen Interesse – das Mobilitätsbedürfnis der Bürger abzudecken.

Der Boom beim neuen innerdeutschen Fernbusverkehr beweist doch, wie flexibel unsere Mitglieder auf den Markt und seine Möglichkeiten reagieren. Dass der Staat in diesem Markt maßgeblich mitspielen will, halten wir ordnungspolitisch für hochproblematisch. Unsere Fernbus-Unternehmer können nicht, wie die Bundesbeteiligung Deutsche Post auf Monopolgewinne zurückgreifen. Sie müssen den neuen Markt mit eigenem Geld entwickeln, müssen selbst für ihr wirtschaftliches Handeln gerade stehen.

Die PBefG-Novelle hat den Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit bestätigt, aber auch die Aufgabenträger gestärkt. Immer mehr Bundesländer übertragen ihnen ein wichtiges Finanzierungsinstrument, den Ausgleich für die verbilligte Schülerbeförderung nach § 45a PBefG. Andere Finanzierungsinstrumente werden eindampft oder sogar gestrichen, und mit der Schuldenbremse ab 2020 müssen Bund und Länder den Gürtel noch enger schnallen. War die Bestätigung der Eigenwirtschaftlichkeit ein Pyrrhussieg für den Mittelstand?

Leonard: Im Gegenteil: Gerade bei engeren Finanzierungsspielräumen können wir unsere Stärken besser ausspielen und müssen nicht, wie andere Marktteilnehmer, gleich nach der Überführung in die Gemeinwirtschaftlichkeit rufen. Unternehmer müssen und wollen etwas unternehmen, das sagt ja schon der Name. Aber Nahverkehr wird auch in Zukunft auf Ausgleichsmittel angewiesen bleiben. Mit unserem Bundeskongress möchten wir Minister Ramsauer und alle anderen Entscheidungsträger dafür sensibilisieren. Die Mobilität für Bürger und Wirtschaft, der Klimaschutz, gleichwertige Lebensverhältnisse – für alle diese politischen Hauptziele ist der Bus unverzichtbar.

Und übrigens nicht nur der Linienbus, sondern auch der Reisebus! Eine ausreichende Finanzausstattung bleibt daher erforderlich. Leider laufen zentrale Finanzierungselemente wie das GVFG/Entflechtungsgesetz oder die RegMittel aus, ohne dass bislang Anschlussregeln vereinbart wären. Hier brauchen alle Akteure dringend Planungssicherheit!

Die Verkehrsminister der Länder beschäftigen sich einmal mehr mit dem Gutachten der Daehre-Kommission zur Infrastrukturfinanzierung. Vorgeschlagen ist unter anderem eine Busmaut, die 100 bis 300 Mio. EUR jährlich bringen soll. Wie finden Sie das?

Leonard: Absurd. Die Kommission ist der Ansicht, dass diese Mehrbelastung vom einzelnen Fahrgast kaum wahrgenommen werden wird. Das ist lebensfremd, zeugt von geringer Marktkenntnis der Experten. Die geforderte Mehrbelastung wird sich etwa so auswirken wie eine Verdoppelung der Mineralölsteuer. Die Bustouristik ist ein sehr preissensibler Markt, und die Mittelständler stehen hier zunehmend im Wettbewerb mit den Ländertickets von DB Regio. Sie nehmen den Bustouristikern die Kunden weg, und in den Verkehrsverbünden verschlechtern sie die Einnahmeaufteilung zu Lasten unserer Linienbusbetreiber. Das kann so nicht weitergehen.

Eine Maut, überhaupt jede zusätzliche Belastung des Busses wäre auch schädlich für die Freizeitmobilität gerade in Gegenden, wo es keine oder keine adäquaten Schienenverbindungen gibt – und für inländische Feriengebiete, die im scharfen Wettbewerb mit Flugdestinationen weiter an Boden verlieren würden.

Minister Ramsauer hat am 2. April in einer Pressemitteilung erklärt, der Bus sei „eine echte Alternative zum Auto". In Interviews hat er zudem zugesichert, es bleibe bei der Mautfreiheit. Kann der BDO die Lobbyarbeit in Sachen Maut nun einstellen?

Leonard: Nein, mitnichten. Auf die Zusagen des Ministers bauen wir, müssen aber weiter versuchen, auch die Finanzer der Koalition und die Oppositionspolitiker von unseren guten Argumenten zu überzeugen.

Wir wollen sie auch davon überzeugen, dass eine Nachfolgeregelung für GVFG bzw. Entflechtungsgesetz nicht nur die bröselnden U-Bahn-Schächte im Ruhrgebiet bedenken darf. Denn Bund und Länder haben dem ÖPNV im neuen PBefG das Ziel vollständiger Barrierefreiheit ab 2020 vorgegeben. Was nützt aber ein Niederflurbus, wenn der Landkreis keine Förderung mehr bekommt, um Haltestellen auf dem flachen Land mit Hochbordsteinen auszurüsten? Auch der Busbetriebshof auf der Schwäbischen Alb, der Linienbus in Thüringen oder ein moderner ZOB in Brandenburg sichern Öko-Mobilität. Sachsen kehrt gerade zur Linienbusförderung zurück. Dort hat man erkannt, dass gerade in Zeiten des demografischen Wandels eine zeitgemäße Regionalbusflotte unverzichtbar ist.

Der BDO setzt sich auch im neuen Fernbusverkehr für Zuschüsse zur Haltestelleninfrastruktur ein. Ist Fernverkehr per Bus ohne die öffentliche Hand also doch nicht darstellbar?

Leonard: Doch, absolut. Das beweist unsere Branche ja jeden Tag im zu 100 % eigenwirtschaftlichen Gelegenheits- und Reiseverkehr. Auch bei den neuen innerdeutschen Fernlinien trägt unsere Branche die betrieblichen Risiken, und das soll auch so bleiben. Die PBefG-Novelle setzt für die Fahrzeuge aber Auflagen zur Barrierefreiheit. Was aber nützt ein rollstuhlgerechter Bus, wenn der Rolli-Fahrer nicht die Treppen zum Busbahnhof hinaufkommt?

Nach dem Grundgesetz ist Fernverkehr eine Bundesaufgabe. Deswegen muss die Infrastruktur von Fernbusstationen auch aus dem Bundeshaushalt gefördert werden.

Mit dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hatte der BDO eine PBefG-Allianz geschmiedet. Ist ein Schulterschluss auch beim Thema Infrastrukturfinanzierung denkbar, wo sich der VDV offen für einen Finanzierungskreislauf „Verkehr finanziert Verkehr" ausspricht?

Leonard: Wir treten gemeinsam für die Fortführung von GVFG und Entflechtungsgesetz ein. Aber wir halten getrennte Finanzierungskreisläufe für die bessere Wahl. „Straße finanziert Straße", „Schiene finanziert Schiene" – dieses Prinzip garantiert, dass jeder Verkehrsträger seine Stärken ausspielen kann und nicht Mittel aus einem hocheffizienten System in den Dauerbaustellen eines weniger effizienten Systems verschwinden.

Auch auf EU-Ebene gibt es eine Tendenz, die Schiene über- und den Bus unterzugewichten. Dabei fahren jeden Tag deutlich mehr Menschen mit dem Bus als mit dem Zug – in Deutschland wie in Europa.

Deswegen brauchen wir auch endlich eigenständige Lenk- und Ruhezeiten für den Bus. Für den nationalen Linienbusverkehr sind sie seit langem eingeführt – im Interesse von Fahrgästen und Fahrpersonal. Beim Fern- und Reisebus orientiert sich Brüssel aber nach wie vor an den Sozialvorschriften für Kartoffel- oder Möbeltransporte.

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Interview von Ausgabe 29/13
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