„Wir streben eine nachhaltige Entwicklung an, kein Strohfeuer“

Die Umfirmierung von Veolia Verkehr in Transdev ist für „ÖPNV aktuell“ ein Anlass für ein Interview mit Deutschlandchef Christian Schreyer, ein anderer die Gerüchte um die Unzufriedenheit namhafter SPNV-Anbieter mit dem VDV. Die Fragen stellte Chefredakteur Markus Schmidt-Auerbach.

Veolia Verkehr benennt sich in Transdev um. Kommt damit auch eine Neuausrichtung Ihrer Verbandspolitik? Bislang war Ihr Haus, nicht zuletzt wegen seiner gemischtwirtschaftlichen Filialen, ein treues VDV-Mitglied. Nun wird geraunt, diverse Wettbewerbsbahnen seien mit dem Branchen-Einheitsverband unzufrieden. Was ist dran?
Christian Schreyer: Der VDV ist inzwischen sehr breit aufgestellt, mit neuen Mitgliedern aus der Fernbusbranche vielleicht auch zu breit. Wir hätten gerne eine klare Lobby für die Schiene und für den öffentlichen Verkehr.
Inwiefern spielt dabei eine Rolle, dass dem VDV oft eine DB-Nähe nachgesagt wird?
Schreyer: Nach dem Verzicht von DB Regio Südost auf eine Angebotsabgabe im Netz „EMS II“ hat sich der VDV sofort öffentlich hinter die DB-Argumente gestellt. Mit uns war diese Pressemitteilung nicht abgestimmt.
Wäre die Mitgliedschaft im Wettbewerberverband Mofair interessant für Transdev?
Schreyer: Wir werden uns die Verbandslandschaft anschauen. Die gegenwärtige Politik bevorzugt ganz eindeutig die Straße und tut alles, um die Schiene zu schwächen, angefangen bei der Finanzierung bis hin zur Infrastruktur. Das unglaubliche Ungleichgewicht im intermodalen Wettbewerb  An der Mofair-Spitze hat es einen Wechsel gegeben, der streitbare, aber auch polarisierende Wolfgang Meyer hat die Präsidentschaft an Hans Leister abgegeben. Inwiefern spielt dies für Transdev eine Rolle?
Schreyer: Hans Leister ist ein hoch anerkannter Kämpfer für die Interessen des Verkehrssystems Schiene und für einen fairen Wettbewerb.
Die VDV-Mitgliedschaft der Fernbusunternehmen bringt mich auf den Interconnex. Sitzt sein Scheitern als Stachel im Fleisch von Transdev?
Schreyer: Organisatorisch haben wir die Einstellung des Interconnex gut verdaut, psychologisch aber nagt sie tief an uns. Dieses Angebot wuchs uns über die Jahre stark ans Herz. Unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen, Stichwort  Infrastrukturentgelte, ist es aber sehr schwer, eigenwirtschaftliche Fernverkehre gegen die Konkurrenz der Fernbusse darzustellen. Das Scheitern des Interconnex unterstreicht beispielhaft, dass wir eine andere, eine starke und eindeutige Schienenlobby brauchen.
Eine gemeinsame Branchenposition ist nicht einfach zu definieren. Nehmen wir beispielsweise die Vorgabe von Sozialstandards und Betriebsübergängen im SPNV-Wettbewerb. DB Regio fordert sie vehement. Sie als Transdev-Deutschlandchef widersprechen dem vehement, gemeinsam mit Ihrem Abellio-Kollegen Stephan Krenz. Wer hat Recht?
Schreyer: DB Regio will Nachteile auf uns Wettbewerber übertragen, Stichwort „Silberrücken“, umgekehrt aber ihre Vorteile für sich behalten. Eine Pflicht zur Öffnung beispielsweise ihrer Werkstätten wird bislang kategorisch abgelehnt. Gerne verweist die DB beim Thema Betriebsübergang auf die Praxis in anderen Ländern, aber unterschlägt dabei, dass der Altbetreiber dort auch seine Assets abgeben muss. Es ist nur konsequent, wenn wir Wettbewerber uns gegen eine derartige Rosinenpickerei stellen.
Beim „EMS II“ dreht sich die DB- wie die VDV-Kritik im Kern um die Trennung der Wertschöpfungsstufen. Nun wird gerätselt, ob DB Regio am 20. Februar ein Angebot für den RRX abgeben wird, bei dem ebenfalls Betrieb, Fahrzeugbeschaffung und Unterhalt getrennt ausgeschrieben sind. Für Transdev könnten RRX-Linien die Brücke zwischen Verkehren der Nordwestbahn und dem Netz der Mittelrheinbahn schlagen. Werden Sie ein RRX-Angebot abgeben?
Schreyer: Wir werden uns auch in Zukunft jede Ausschreibung anschauen, ob sie zu uns passt – vor allem die großen Netze. Im SPNV kommen in den nächsten Jahren 40 % des Leistungsvolumens auf den Markt. Bei 15 bis 20 Wettbewerben pro Jahr können wir nicht jeden mitzumachen.
Grundsätzlich sind wir nicht so glücklich, wenn die Wertschöpfung zerhackt wird. Als Verkehrsunternehmen wünschen wir uns zumindest Einfluss auf die Instandhaltung. Für den RRX haben wir ein indikatives Angebot abgegeben. Wir haben noch nicht entscheiden, ob wird dem ein endgültiges folgen lassen.
Treten Sie nun doch auf die Bremse? Wie passt Ihre Aussage; nur ausgewählte Ausschreibungen zu beantworten, zum Aufbruchssignal der Umfirmierung in Transdev?
Schreyer: Wir haben im letzten Jahr, besonders im letzten halben Jahr vielfach gezeigt, dass unsere, sagen wir mal, volatile Zeit vorbei ist. Finanziell, personell und organisatorisch haben wir uns für neues Wachstum gestärkt.
Unser Eigentümer zeigt, dass er hinter uns steht – mit der Umfirmierung, aber auch mit einer Kapitalerhöhung und unserer weitgehenden Entschuldung. Wir sind in der Gruppe das Kompetenzcenter Eisenbahn. Auf unsere Erfahrungen kann Transdev zurückgreifen, wenn sich der SPNV-Markt in Frankreich öffnet.
Der neue Name Transdev ist das letzte Glied in dieser Entwicklung. Wir zeigen unseren Mitarbeitern und den Bestellern: Jetzt kehrt Ruhe ein. Aber Ausschreibungen müssen passen. Wir streben eine nachhaltige Entwicklung an, kein Strohfeuer.
Werden Sie Transdev künftig neben die Unternehmensmarken stellen?
Schreyer: Eher die Dachmarke und den Netznamen. Die handelsrechtliche Firmierung werden wir zurücknehmen. Eine scheinbare Ausnahme wird es bei der „Bayerischen Oberlandbahn“ geben, denn es gibt nicht nur eine Filiale dieses Namens, sondern auch ein gleichnamiges SPNVNetz. Die BOB betreibt aber daneben auch den „Meridian“.
Wie verfahren Sie bei Trans Regio, Auftritt als „Transdev Mittelrheinbahn“?
Schreyer: Da schauen wir uns derzeit noch genauer an, wohin wir wachsen wollen. Danach wählen wir die Bezeichnung.
Wenn Sie mit Trans Regio über Mainz hinaus nach Süden streben, ist die deutschfranzösische Grenze nicht mehr fern. Das Elsass steht einer Marktöffnung aufgeschlossen gegenüber, inzwischen schaut sich auch Lothringen seine TER-Verträge mit der SNCF gründlich an. Soll Transdev Deutschland für diese Aufgabenträger vielleicht als Brückenkopf fungieren?
Schreyer:
Wir schauen uns die grenzüberschreitenden Ausschreibungen im Saarland oder im Südwesten ganz genau an.
Wie stark wollen Sie im ÖPNV- und Regionalbus-Wettbewerb mitmischen?
Schreyer: Wie groß ein Busnetz ist, ist für eine Wettbewerbsteilnahme ein wichtiger Faktor. Ein anderer, ob sich Synergien mit dem Bestandsgeschäft ergeben. Ein Beispiel dafür ist das VRNBündel „Rhein-Pfalz“, das unsere Tochter Palatina-Bus ab 14. Juni bedienen wird.
Mit diesem Auftrag sozusagen vor der eigenen Haustür kann Palatina-Bus sein Geschäft beachtlich erweitern. Das Busnetz verbindet unsere linksrheinischen Verkehre im Raum Neustadt/Weinstraße mit den rechtsrheinischen um Sinsheim.
Im Busmarkt betätigen Sie sich gelegentlich auch als Makler. Das lässt sich an dem erfolgreich verteidigten Großauftrag für die Bundeswehr ablesen, aber auch am „Werrabus“ im Kreis Hildburghausen. In beiden Fällen vertrauen Sie die eigentlichen Fahrleistungen aber Subunternehmern an. Sehen wir hier das Transdev-Modell der Zukunft?
Schreyer: Ein vernünftiger Anteil der Eigenproduktion sorgt für eine gewisse Grundstabilität, das ist mir wichtig. Eine vollständige Vergabe von ÖPNV-Aufträgen an Subunternehmer dürfte eher die Ausnahme bilden.
Wie wir uns im Einzelfall entscheiden, hängt immer auch davon ab, was der Besteller will. Wünscht er einen offenen Wettbewerb? Will er die ortsansässigen Familienunternehmer eingebunden sehen, wenn ja: wie?

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Interview von Ausgabe 11/15
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