BGH bekräftigt Schwachstelle in früheren HVV-Jobticket-Bedingungen

Missverständliche Aussagen zur „Geltung“ machen „Proficard“-Bestimmungen unwirksam.

In einem Revisionsurteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Regelungen zur zwangsweisen
Rückgabe von HVV-Jobtickets „für sich genommen“ als unbedenklich eingestuft. Im Zusammenspiel
mit einer anderen Bestimmung könnte man die Formulierung aber auch so verstehen, dass die „Proficard“ nach Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses automatisch ungültig geworden ist. Unklarheiten führen aber nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zur Unwirksamkeit. Die S-Bahn Hamburg scheiterte daher in letzter Instanz mit ihrer Fahrpreisnachforderung von 616 EUR. Der HVV hat seine „Proficard“-Bestimmungnen bereits angepasst.

Im vorliegenden Fall hatte ein Fahrgast über seinen Arbeitgeber eine rabattierte „Proficard“ erhalten.
Standardmäßig läuft sie ein Jahr, hier trug sie den Vermerk, dass die Gültigkeit Ende April 2014 ablief.
Allerdings schied der Kunde bereits neun Monate vor diesem Termin aus dem Unternehmen aus. Aus Sicht der S-Bahn Hamburg – sie betreut im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) die Großkundenabonnements (GKA) – hatte der Fahrgast damit weiterhin einen Fahrausweis in der Tasche,
obwohl er nicht mehr rabattberechtigt war bzw. ohne dass Der Preis für das „Proficard“-Abo von seinem Lohnkonto eingezogen werden konnte.

Gemäß den besonderen Benutzungsbedingungen hätte der Fahrgast eigentlich diese „Proficard“
zurückgeben bzw. in der Gültigkeit anpassen lassen müssen. Wer das schuldhaft versäumt, muss
nachbezahlen. Die S-Bahn forderte also, mahnte dann – und erhob schließlich Klage. Die „Proficard“-Bestimmungen sind so weit, so gut, meinten die Revisionsrichter. Jedenfalls im Grundsatz. Doch der Teufel steckte im Detail. Denn die Regelungen in der hier beurteilten Fassung
ließen nach Einschätzung des Revisionsurteils den Fahrgast leider im Unklaren darüber, welche Rechte und Pflichten sich für ihn ergeben. Einerseits könne ein ausgeschiedener Mitarbeiter die Formulierungen so verstehen, dass er seine „Proficard“ behalten und den HVV weiternutzen darf, sofern er nur den Großkundenrabatt nachzahlt. Andererseits könne man die Formulierungen aber auch anders auffassen, nämlich dass über eine „Drohung“ mit dem Normaltarif lediglich Druck aufgebaut werden soll, dass das Dokument termingerecht zurückgegeben wird, ohne dass mit ihm noch eine Fahrtberechtigung verbunden wäre.

Für diese zweite Annahme spricht aus BGH-Sicht insbesondere die Formulierung in Abschnitt 3 Absatz 1 Satz 3 der „Proficard“-Bestimmungen. Danach endet ihre Geltungsdauer an dem Tag, an dem sie zurückzugeben ist. Ein ungültiger Fahrschein enthält aber gar keine Fahrtberechtigung, die „proficard“ mithin wertlos. Immerhin habe der HVV jeden Jobticketnutzer über verbundene Paragrafen seiner Tarifbestimmungen schriftlich informieren, dass er vor dem Einstieg einen gültigen Fahrausweis braucht.
Kurzum: Die AGB sind unklar und benachteiligen insofern den Verbraucher. Gemäß § 307 BGB
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr.1 werden sie dadurch unwirksam, entscheid der BGH.Die Hamburger
S-Bahn brachte zwar den Hinweis, dass es beim Thema Gültigkeitsdauer um das Ende der Jobticketberechtigung geht, nicht aber um eine generelle Ungültigkeit der „Proficard“ als Fahrausweis. Wenn der Kunde das so verstehen soll, muss der HVV das auch deutlich machen, entgegneten die Bundesrichter. In ihren Worten liest sich das so: Der diesbezügliche Vortrag der S-Bahn „findet … im Wortlaut der Klausel keine Stütze“.

Schon die Vorinstanzen AG Hamburg und Landgericht Hamburg hatten die Klagen der S-Bahn
abgewiesen. Zwar schlossen sich die Bundesrichter nicht allen Bewertungsdetails ihrer Hamburger
LG-Kollegen an. Gleichwohl bestätigten sie die Einschätzung der Vorinstanz, dass es sich um
missverständliche und damit unwirksame AGB handelt.

Der HVV hat zum 1. Januar 2016 bereits seine „Proficard“-Bestimmungen angepasst. Seitdem
heißt es, dass eine schuldhafte Nicht-Rückgabe bei Verlust der Anspruchsvoraussetzungen dazu
führt, dass der Proficard-Inhaber als Normalabonnent angesehen wird und den Normaltarif zu
zahlen hat.

Fundstelle: BGH, Urteil vom 22. März 2016, Az. X ZR 18/15 (NaNa-Brief/msa)

Politik & Recht
Artikel Redaktion Bus&Bahn
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