EVG schmiedet Allianz mit NE-Bahnen und Aufgabenträgern zur GWB-Novelle

Im Vorfeld der weiteren politischen Beratungen zum künftigen Vergaberecht (GWB) möchte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) einen breiten Branchenkompromiss schmieden. Der Politik soll so eine Sonderregelung für den öffentlichen Verkehr schmackhaft gemacht werden.

EVG-Chef Alexander Kirchner wirbt bereits bei Branchentagungen für seinen Vorschlag, so etwa am Donnerstag bei einer BAG-SPNV-Veranstaltung zum Deutschlandtakt – und hat hier bei Vertretern unterschiedlicher Branchenlager durchaus Bereitschaft zum Gespräch gefunden.

Darüber hinaus hat der Gewerkschaftsvorsitzende auch zu einem Treffen eingeladen. Mit Wettbewerbsbahnen und Aufgabenträgern will er die Diskussion voranbringen und der Politik möglichst rasch einen Branchenkompromiss präsentieren.

Kirchners Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass bereits heute in vielen SPNV-Netzen Betriebsmittel gestellt werden. In diesen Fällen greifen bei einem Betreiberwechsel automatisch die Bestimmungen des § 613a BGB zum Betriebsübergang.

Eine Situation, die nicht nur für die Arbeitnehmer unkomfortabel ist, sondern auch für Besteller und Ersteller, findet Kirchner. Denn keine Seite hat mehr Gestaltungsspielraum. Angesichts der weiter zerfasernden  Wertschöpfungsketten dürften in Zukunft noch deutlich mehr Verkehrsverträge am Ende ihrer Laufzeit von diesem Problem betroffen sein als heute schon.

Hier setzt der EVG-Vorschlag an:
Vorgaben des Aufgabenträgers • zum Personalübergang sollen Vorrang haben, d.h. branchenbezogenes Sonderrecht statt § 613a BGB.
• Grundlage soll nicht das Personalkonzept des Altbetreibers, sondern das Personalkonzept Bestbieters sein. Aufgeblähte Strukturen werden also nicht weitergereicht, woran weder Aufgabenträger noch Wettbewerbsteilnehmer Interesse haben.
• Der Neubetreiber muss keinen Altbeschäftigten übernehmen. Vielmehr darf er sich aus den Bewerbungen die passenden Leute heraussuchen. Kein Zwang zur Übernahme der „Silberrücken“.
• Übernimmt der Neubetreiber jedoch freiwillig einen Altbeschäftigten, greift ein Besitzstandsschutz (Lohnstufen, Betriebszugehörigkeit, Zulagen).

Kirchner erkennt in seinem Vorschlag Vorteile für alle Seiten, nicht zuletzt für die Wettbewerbsunternehmen,aber auch die Öffentlichkeit.Denn im heutigen System müsse der Altbetreiber seine Mannschaft bis zum Stichtag beschäftigen und sie anschließend in einen Sozialplan schicken. Der Neubetreiber wiederum, auf seine Autonomie bei der Personalauswahl bedacht, muss frühzeitig einen eigenen Personalstock aufbauen.Die Folge laut Kirchner: Erfahrene Kräfte scheiden aus dem Beruf oder wechseln in andere Verkehrsgebiete, die Ausbildung der Neuen kostet Geld und Kraft, sofern das neue Verkehrsunternehmen sie denn überhaupt in ausreichender Zahl gewinnen, halten und so einen fahrplangerechten Betrieb sicherstellen kann.Mit der vorgeschlagenen Neuregelung will die EVG auch dazu beitragen, dass das Gesamtsystem Schiene im Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern attraktiv bleibt.Der EVG-Vorschlag dürfte auch für die ÖPNV-Branche diskussionswürdig sein. Denn auch dort gehen zum Teil Betriebsmittel über. Städte wie Singen oder Bad Homburg stellen beispielsweise dem im Wettbewerb ermittelten Verkehrsunternehmen das Busdepot zur Verfügung. Städte wie Worms oder Zweibrücken gaben bei ihren Ausschreibungen Personalübernahmen vor. Um einen Betriebsübergang nach § 613a auszuschließen, achtet DB Bus im ÖPNV-Wettbewerb strikt darauf, Busse der Altgesellschaften und ihre Beschäftigungsverhältnisse nicht auf die Wettbewerbstöchter überzuleiten. Prominentestes „Opfer“ dieser Politik ist die Abwicklung des Regionalverkehrs Hessen (RKH). Derzeit bereitet DB Bus Nord den Betriebsstart im gesamten Kreis Dithmarschen vor. Ende 2015 laufen die Genehmigungen der Konzernschwester Autokraft aus. Das Landratsamt in Heide hatte die Leistungen mit einem Betriebsübergang ausgeschrieben. Gesetzliche „Regelungslücken“ hatten das Verfahren erheblich belastet (ÖPNV aktuell 14/15). Zwar gehört DB Bus nicht gerade zu den von der Bundesregierung benannten „mittelständischen“ Branchenakteuren, aber der Bund dürfte durchaus auch ein Interessse haben, dass sein Busunternehmen nicht aus dem Markt gedrängt wird.

Politik & Recht
Artikel Redaktion Bus&Bahn
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