Kampf gegen Direktvergaben

Solange Rechtsunsicherheit besteht, müssen Branchenteilnehmer im Wettbewerb, aber auch Kommunalunternehmen scheibchenweise herausfinden, wo ihr Aktionsradius endet. Beispiele belegen, welche Sprengkraft sich daraus für Mittelstand, Kommunalunternehmen, DB Bus, aber auch die Aufgabenträger ergibt. Dabei geht es um die KMU-Fähigkeit von Mittelstandskooperationen, um mehrstufige kommunale Gesellschaftsstrukturen, aber auch um das Verhältnis von Bruttoverträgen und Dienstleistungskonzessionen.

Die Darmstadt-Dieburger Nahverkehrsorganisation (Dadina) will bedeutende Leistungen an eine Kooperation von vier Mittelständlern direkt vergeben, nämlich die örtliche Stadt-Land-Bus (SLB). Aber kann dieses Gemeinschaftsunternehmen von den günstigen Schwellenwerten für den Mittelstand profitieren, wie sie in der EU-Verordnung 1370/07 festgelegt sind, obwohl alle GesellschafterGesellschafter zusammen deutlich über den Grenzwerten liegen?

Dadina meint „ja“ – aber DB Busverkehr Hessen (BVH) widerspricht. Wenn es ausreichen sollte, dass mehrere
Private, egal wie groß, mit einer neuen GmbH Privilegien abgreifen könnten, liefen die Marktchancen für den verkehrsroten Konzern in vielen Kreisen gegen null, lautet seine Befürchtung. Denn dann wären kreativen Umgehungsphantasien Tür und Tor geöffnet.

Noch lässt das Frankfurter Oberlandesgericht sich mit seiner Entscheidung Zeit. Die mündliche Verhandlung aber ist bereits erfolgt (ÖPNV aktuell 42, 12/15). Erst im November soll die Entscheidung verkündet werden,
heißt es auf Rückfrage in der Gerichtspressestelle.

Im für DB Bus besten Fall kassiert der Vergabesenat den für Dadina und SLB günstigen Spruch der Vergabekammer Hessen (VK Darmstadt). Aber auch eine Vorlage der aufgeworfenen Rechtsfragen an den BGH oder den EuGH ist für die DB offensichtlich hilfreich.

Beide Optionen wurden von ihren Klagevertretern im Verfahren thematisiert. Entscheidungen in Vorlageverfahren könnten dazu beitragen, die bislang ungeklärten Spielräume der konkurrierenden Branchenlager auszuloten. Bis dahin heißt es aber, in Zweifelsfragen selber im Nebel zu stochern.

In einem parallelen Verfahren hat DB Bus versucht, die politisch gewollte Dadina-Direktvergabe schon vor dem tatsächlichen Abschluss eines öffentlcihen Dienstleistungsauftrages (ÖDA) anzugreifen. Ziel war es, die Weichen frühzeitig in Richtung Wettbewerb zu stellen. Doch in diesem Parallelverfahren konnte sich die DB nicht durchsetzen. Die VK Darmstadt und nachfolgend das OLG Frankfurt entschieden ganz klar: „Kein Zuschlag, kein Rechtsschutzbedürfnis“.

Nach Meinung der beiden Instanzen erfolgt eine Direktvergabe in drei Stufen. In den Stufen 1 (interne Meinungsbildung des Aufgabenträgers) und 2 (Verhandlung mit potenziellen Vertragspartnern) ist eine vergaberechtliche Prüfung grundsätzlich unmöglich, weil der vermeintlich unterlegene Bewerber ja noch gar keinen Nachteil erlitten hat.

„Erst die Vergabeentscheidung selbst als rechtsverbindlicher Akt mit Außenwirkung könne Gegenstand einer Nachprüfung sein“, lautete die Schlussfolgerung (OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. August 2015, Az. 11 Verg 7/15).

Dabei hätte der DB-Konzern nach eigenem Vortrag bereits in diesem frühen Stadium gerne gewusst, ob es im Bruttovertragssystem des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) überhaupt eine Dienstleistungskonzession – mithin ein Recht zur Direktvergabe an Externe – geben kann. Die Zeit wird knapp, denn die geplante Betriebsaufnahme in den beiden Dadina-Bündeln durch SLB soll bereits am 13. Dezember erfolgen.

 

Politik & Recht
Artikel Redaktion Bus&Bahn
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