Tarifvorgaben für Schiene und Straße verfassungswidrig

Nun soll das Landesverfassungsgericht entscheiden, ob der Staat in die Tarifautonomie eingreifen darf, wenn es einen gesetzlichen Mindestlohn gibt. Der NRW-Mittelstand hängt also weiter in der Luft. Ab sofort sind aber auch Bahnen und SPNV-Aufgabenträger betroffen.

Der Verband Nordrhein-Westfälischer Omnibusunternehmen (NWO) kämpft weiter darum, dass das Land auch den Tarifvertrag des mittelständischen Busgewerbes als repräsentativ anerkennt. Nur unter dieser Voraussetzung dürfte der Mittelstand auf Basis seines TV-NWO in Ausschreibungen oder bei Direktvergaben agieren.

Bislang aber muss er für entsprechende Aktivitäten jedoch den TV-N anwenden. Denn Landesarbeitsminister Guntram Schneider (SPD) hat für den Bereich des straßengebundenen Nahverkehrs einzig den kommunalen TV-N für repräsentativ erklärt.

Dagegen und gegen die zugrunde liegende Verordnung (RepTVVO) reichte der NWO im März 2013 vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage ein. Nach diversen Terminverlegungen hat es am 27. August 2015 endlich eine Verhandlung gegeben, fast anderthalb Jahre nach Eröffnung des Verfahrens. Nach der Beratung der 6. Kammer verkündete der Vorsitzende Martin Stuttmann die Entscheidung:
• Die Klage des NWO wird abgewiesen. Das Landesarbeitsministerium wird also nicht verurteilt, seine Liste der repräsentativen Tarifverträge zu ergänzen. Begründung: Das VG ist nur für Verwaltungsakte zuständig, nicht aber für Verordnungen. Diese fallen in die Sphäre des Gesetzgebers, in die Gerichte wegen der Gewaltenteilung
nicht eingreifen dürfen. Außerdem liefe die angerstrebte Schutzwirkung leer, wenn es in den sachlich, räumlich oder zeitlich abgegrenzten Märkten neben dem dort jeweils einzigen repräsentativen Tarifvertrag konkurrierende Abschlüsse gäbe.
• Aber: Die Vorgabe von speziellen Tariflöhnen für den Nahverkehr hält das VG Düsseldorf insgesamt und an sich aber für verfassungswidrig. Deswegen hat es das Tarif- und Vergabegesetz (TVgG NRW) jetzt dem Verfassungsgerichtshof des Landes zur Prüfung vorgelegt.

„Dieser Schritt ist ungewöhnlich, aber möglich“, sagte der Vorsitzende. In seiner Beschlussbegründung, aber zuvor auch in der Verhandlung machte er deutlich, dass das VG Düsseldorf durchaus das Recht des Staates anerkennt, die Vergabe öffentlicher Aufträge zu regeln, ebenso sein Recht, im sozialen Interesse Lohnuntergrenzen zu definieren.

Aber darf der Staat darüber hinaus in die Grundrechte der Tarifautonomie und Koalitionsfreiheit eingreifen? Darf er bestimmte Tarifverträge bevorzugen, andere hingegen vom Marktgeschehen ausschließen? Insbesondere in einem Markt, in dem er monopolartig nahezu den einzigen Nachfrager darstellt, wie im ÖPNV?

Nein, lautet die Überzeugung des VG Düsseldorf. Mindestens seit Anfang 2015, mit Inkrafttreten des Mindestlohnes von 8,50 EUR nach dem Bundes-MiLoG, gebe es ein unteres Schutzniveau. Damit aber seien weitere Eingriffe des Staates nicht mehr statthaft. Mindestens aber sei das Sonderrecht für den Nahverkehr fraglich.

Politik & Recht
Artikel Redaktion Bus&Bahn
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