Urteil im SVP-Prozess zugunsten von Verdi

Das Arbeitsgericht Pforzheim hat die Schadensersatzforderungen des Stadtverkehrs Pforzheim (SVP) gegen Verdi zurückgewiesen. Demnach hat die Gewerkschaft weder zu wilden Streiks aufgerufen, noch hat sie Forderungen gegen unbeteiligte Dritte (nämlich die Stadt Pforzheim) gestellt.

Die Auseinandersetzung hängt mit der Ablösung des SVP durch den eigenwirtschaftlichen Gegenantrag von DB Südwestbus zusammen. In der Folge beschloss die Stadt die SVP-Abwicklung. Verdi forderte eine tarifvertragliche Absicherung der SVP-Belegschaft, darunter Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bei der Stadt.

Dies stufte das Kommunalunternehmen – es firmiert mittlerweile als Stadtverkehr Pforzheim GmbH & Co. KG in Liquidation (SVP) – als unerlaubte Handlung ein: Diese Tarifforderung richte sich gegen einen „unbeteiligten Dritten“, nämlich die Kommune.

Mit Rückendeckung der Stadt forderte der SVP von Verdi nun 1,6 Mio. EUR Schadensersatz, entstanden durch Ersatzverkehre und Einnahmeausfälle. Verdi aber verneinte eine Schadensersatzpflicht. Erstens stufte man den Streik selber wie auch die Streikforderungen als rechtmäßig ein. Und zweitens „würden wir nicht für Streikbrecher-Einsätze bezahlen“, nirgendwo in Deutschland, wie Susanne Wenz, Vizechefin des Verdi-Landesbezirks Baden-Württemberg, gegenüber dem „NaNa-Brief“ betonte. Nun hat das Arbeitsgericht Pforzheim der Gewerkschaft Recht gegeben, mit vier Hauptargumenten:
Es bestand keine Friedenspflicht, denn angesichts der gravierenden Änderungen, d.h. der SVP-Betriebsstillegung, durfte gestreikt werden.

Die Forderungen richteten sich nur an den Tarifpartner. Wünsche an die Stadt wurden zwar im Vorfeld in einem politischen Flugblatt artikuliert, standen aber nicht im eigentlichen Streikaufruf.

Der SVP kann die Stadt nicht als „unbeteiligten Dritten“ bezeichnen, wenn seine Haustarifverträge immer von einem hohen Vertreter der Kommune unterzeichnet und teilweise sogar gesiegelt wurden.

Art. 6 Abs. 4 der Europäischen Sozialcharta geht grundsätzlich von einem unbeschränkten Streikrecht aus. Demnach könnten auch politische Appelle, die sich auf tariflich nicht regelbare Forderungen beziehen, Gegenstand eines Streikaufrufs sein, ohne diesen insgesamt rechtwidrig zu machen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Arbeitsgericht die Berufung ausdrücklich zugelassen. „Sobald der SVP GmbH & Co. KG i.L. diese Urteilsbegründung vorliegt wird sie diese prüfen und das weitere Vorgehen im Aufsichtsrat besprechen“, erklärt Ella Martin von der städtischen Pressestelle dem „NaNa-Brief“.

Rechtsmittel kann ab dem Zugang der Urteilsbegründung binnen Monatsfrist eingelegt werden. Verdi-Landesbezirksleiter Martin Gross hat das Urteil bereits begrüßt: „Den Arbeitgebern, die mit einstweiligen Verfügungen und Schadensersatzklagen immer häufiger versuchen, das Streikrecht ihrer Beschäftigten juristisch zu bekämpfen, wurden heute juristische Hürden aufgezeigt.“ Aus Sicht der Gewerkschaft ist es mit einem Urteil allein aber nicht getan. Verdi fordert nach wie vor eine Novellierung des Tariftreuegesetzes in Baden-Württemberg. Nach dem rheinland-pfälzischen Vorbild soll es bei einem Betreiberwechsel künftig eine verbindliche Personalüberleitung vorschreiben, und zwar zu gleichen Arbeits- und Lohnbedingungen. Außerdem erwartet die Gewerkschaft von der neuen Bundesregierung eine PBefG-Korrektur, damit solche Direktvergaben künftig nicht mehr möglich sind.
Fundstelle: ArbG Pforzheim, Urteil vom 5. April 2018, Az. 3 Ca 208/17, Berufung zum LAG Baden-Württemberg ist zugelassen. (msa/NaNa Brief)

Politik & Recht
Artikel Redaktion Bus&Bahn
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