DB geht in England ins Risiko

Um im „Open Access“ zu fahren, benötigen britische Bahnunternehmen eine Genehmigung des
Office of Rail Regulation (ORR). Die gibt es nur, wenn es nicht zur Kannibalisierung bestehender, öffentlich kofinanzierter Konzessionen („Franchises“) kommt. Arriva hat hier offensichtlich eine gute Spürnase – und diese Expertise soll nun neue Umsatz- und Gewinnmöglichkeiten abschöpfen und so die Kassen des Mutterkonzerns Deutsche Bahn (DB) füllen helfen, dessen Personenverkehr
im Heimatmarkt in nahezu allen Bereichen unter Druck geraten ist, ob im Regional- oder Fernbusgeschäft, ob im SPNV oder beim IC/ICE-Verkehr.
Seit November 2011 ist Arriva im eigenwirtschaftlichen Fernverkehr auf der Schiene tätig, seit nämlich die Grand Central Railway Comp. (GCRC) übernommen wurde. Die Filiale fährt mit sieben Einheiten (derzeit fünf Class 180 und drei HAST 125) von London King’s Cross Richtung Norden nach Sunderland und Bradford, insgesamt 18 Züge täglich. Für diese Verkehre läuft die ORR-Genehmigung noch bis
2026. Noch im Juli will das ORR über einen neuen, zusätzlichen Arriva-Antrag entscheiden, dann für Verkehre zwischen London und Blackpool. Hierfür will „Grand Central“ bei Alstom in Italien vier sechsteilige Pendolino UK ordern.
Parallel investiert die Arriva-Tochter 7,8 Mio. GPB in die Modernisierung der Flotte. So werden die fünf von Alstom vor 16 Jahren gebauten Class 180, die im Eigentum von Angel Trains sind, von Bombardier innen komplett modernisiert. Zudem werden die drei HST 125 durch weitere Class 180, die bei anderen Betreibern frei werden, ersetzt.
Parallel hat die Great North Eastern Railway Comp. (GNER) im April beim ORR einen Antrag für Verkehre
auf der East Coast Main Line (ECML) zwischen London King‘s Cross und Edinburgh mit Zwischenhalt in Newcastle gestellt. Darüber will das ORR im Spätsommer entscheiden.
Damit tritt die DB mit Virgin/Stagecoach in den Wettbewerb. Geplant ist gegenüber deren Franchise eine deutlich kürzere Fahrzeit (3:43 statt 4:00). Damit, so das Kalkül, könne man Neukunden aus dem
Flugverkehr gewinnen.
Erreichen will dies die Arriva-Tochter durch den Einsatz von Pendlino-Zügen. Es sollen für rund 250 Mio. GBP zwölf neunteilige Einheiten bestellt werden. Der Leasingvertrag läuft dafür über zunächst zehn Jahre. Der Verkehr soll im Dezember 2018 starten.
Um die 140 mph schnellen Einheiten auch bogenschnell einsetzen zu können – Voraussetzung für die kurzen Fahrzeiten – will Arriva 50 bis 100 Mio. GBP in den Ausbau der Strecke stecken. Sie gehört dem staatlichen Infrastrukturbetreiber Network Rail.
Aktuell macht sich Arriva Hoffnungen auf die Neuvergabe der Franchises Northern und London
Overgrond (LOROL). Noch bis Ende 2016 ist Arriva hier zusammen mit dem Hongkonger Metrobetreiber
MTR aktiv. Für die Neuvergabe hat sich die DB-Filiale jedoch vom „geerbten“ Partner gelöst und eigenständig für das Wettbewerbsverfahren qualifiziert. Dort steht man nun in der engeren Wahl. Unterdessen machen hierzulande britische Bahnunternehmen der Arriva-Schwester DB Regio zunehmend zu schaffen.

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Artikel Redaktion Bus&Bahn
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