Fahrgastrückkehr im Fokus

Als Folge der Pandemie setzen derzeit viele Menschen auf individuelle Mobilität; Foto: Bodo Schulz

Die Nahverkehrsunternehmen und Verbünde in Deutschland wollen mit einer Reihe von Maßnahmen so viele Kunden für den ÖPNV zurückgewinnen wie möglich.

Neben verschiedenen regionalen und landesweiten Aktivitäten, bei denen die Fahrgäste mit ihren Tickets zusätzliche Angebote nutzen können, wird vom 13. bis 26. September eine laut Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) bundesweit einmalige Aktion umgesetzt. Diese richtet sich als Dank an alle Abonnenten. In den zwei Wochen können Fahrgäste, die ein gültiges ÖPNV-Abo besitzen, bundesweit ohne zusätzliche Kosten Nahverkehrsangebote nutzen. Die Gültigkeit (ÖPNV und SPNV) erstreckt sich über alle teilnehmenden Verkehrsunternehmen und Verbünde. VDV-Präsident Ingo Wortmann: „Die Rückgewinnung der Fahrgäste steht ab sofort ganz klar im Fokus der Branche. Nachdem wir, dank der Unterstützung durch Bund und Länder, durch zwei Corona- Rettungsschirme in den Jahren 2020 und 2021 die allergrößten Einnahmeverluste ausgleichen konnten, müssen und wollen wir nun so schnell wie möglich Fahrgäste zurückgewinnen.“

Derzeit liegen die Fahrgastzahlen zumindest in Großstädten und Ballungsräumen wieder bei etwa 60 Prozent des Vorkrisenniveaus. Die Branche ist damit noch weit entfernt vom Rekordwert 2019 (10,4 Mrd Fahrgäste). Dies liege zum einen daran, dass durch weniger Tourismus, Kurzarbeit, eingeschränkte Schulöffnungen und ausbleibende Großveranstaltungen vielen Menschen die Fahrtanlässe fehlten. Durch den langen Lockdown zeigten sich aber auch Trends eines veränderten Mobilitätsverhaltens. „Digitalisierung, Homeoffice und auch die Unsicherheit vor möglichen Ansteckungen, vor allem zu Beginn der Pandemie, haben zu einer Zunahme von individueller statt geteilter Mobilität geführt“, erklärt Wortmann. Zudem gebe es nun höhere Qualitätsansprüche bezüglich der Abstände im Fahrzeug, bei Reinigung und Fahrgastinformationen.

Mit diesen Veränderungen müsse die Branche umgehen. Neben dem Jahresabo seien deshalb vermehrt flexiblere Ticketangebote nötig und man müsse noch stärker durch Verknüpfung multimodaler Verkehrsangebote auf die individuelleren Mobilitätsbedürfnisse reagieren.

Um mithilfe des ÖPNV die Klimaschutzziele im Verkehrssektor bis 2030 zu erreichen, müsste unter anderem die Betriebsleistung (Fahrzeugkilometer) in den kommenden neun Jahren um 60 Prozent erhöht werden, die Verkehrsleistung (Personenkilometer) müsste im selben Zeitraum um 24 Prozent steigen. Zu diesen Ergebnissen kommt ein unabhängiges Leistungskostengutachten im Auftrag des VDV. Dadurch und durch weitere Maßnahmen, etwa den Ausbau von On-Demand-Verkehren im ländlichen Raum, entstünden den Verkehrsunternehmen Kostensteigerungen von etwa 90 Prozent im Vergleich zu den derzeitigen Aufwendungen. Die Erlöse, vornehmlich durch Ticketeinnahmen, könnten aber nur um rund 50 Prozent erhöht werden. So entstehe eine Finanzierunglücke, die ohne zusätzliche Finanzmittel auf 11 Mrd Euro im Jahr 2030 anwachse. Für Wortmann ist klar, dass mit Bund, Ländern und Kommunen über eine kohärente Finanzierung des Gesamtsystems ÖPNV bis 2030 zu sprechen ist und Lösungen dafür gefunden werden müssen. (mab)

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Artikel Redaktion Bus&Bahn
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