Kartellamt, Verbraucher und Aufgabenträger – Alle machen Druck auf DB Vertrieb

Das Bundeskartellamt (BKartA) hat jetzt in einem Zwischenbescheid attestiert, dass der Staatskonzern zu hohe Provisionen von den NE-Bahnen für den Vertrieb deren Tickets verlangt, ihnen umgekehrt aber deutlich geringere Provisionen für den Vertrieb von DB-Fahrscheinen gewährt.

Reziprozität, wie vom Verband Mofair in seiner Kartellbeschwerde gefordert, hält die Behörde laut „FAZ“ jedoch nicht für erforderlich. Eine gewisse Spreizung sei marktüblich und hinzunehmen. Die DB-Konkurrenten hatten sich auch darüber beschwert, dass Mietern in Bahnhöfen der Vertrieb fremder Tickets untersagt wurde, aber auch, dass sie selbst keine DB-Fernverkehrsfahrscheine vermitteln durften. In beidem ist die DB bereits proaktiv geworden, hat etwa das Vertriebsverbot gelockert. Und der neue Chef von DB Vertrieb, Ralph Körfgen, hat unlängst verkündet, den NE-Bahnen jetzt den Vertrieb von Fernverkehrsfahrscheinen zu gewähren.

Bei Mofair wird dies als Fortschritt gesehen, es komme aber auch auf die Ausgestaltung an, heißt es weiter.
Anzunehmen ist, dass die Öffnung des Fernverkehr-Vertriebs nicht nur dem Druck des Kartellamtes zu verdanken ist, sondern auch dem Marktdruck, speziell durch die Fernbusbranche. Jedenfalls hat DB Fernverkehr zwischenzeitlich sogar alle Fahrplandaten als „Open Data“ erklärt – in der Hoffnung, dass möglichst viele Apps programmiert werden, und so helfen, den Vertrieb von IC- und ICE-Fahrscheinen zu verbreitern, um die Auslastung zu steigern und so Margenverluste zu kompensieren.

Wie DB Vertrieb mitteilt, werden immer mehr Fahrscheine online gekauft. Die Nachfrage nach Beratung in den personenbedienten Verkaufsstellen geht weiter zurück. Mehr als 30 % der Fahrkarten werden bereits online gebucht, nur noch 18 % in den Reisezentren. Seit Anfang 2016 sind daher die bundesweit bislang sechs Regionalen Vertriebsleitungen (RVL) zu drei Einheiten zusammengefasst. Auch bei den Strukturen in der Frankfurter Zentrale hat man nachgesteuert.

Ziele sind mehr Kundenorientierung und eine bessere Wettbewerbsfähigkeit. Als Kunden werden hier nicht nur die Endkunden verstanden, sondern auch die SPNV-Aufgabenträger, erläuterte ein DB-Sprecher auf Nachfrage. Man reagiere auch auf den Trend, dass die SPNV-Besteller verstärkt Vertriebsleistungen in den Wettbewerb gäben. Die DB begegnet dabei einerseits etablierten Konkurrenten. Beim Niedersachsenticket etwa setzte sich Transdev durch. Andererseits muss sich der Staatskonzern auch auf Konkurrenz von Start-ups einstellen. Captrain etwa will über die Verbindungsauskunft hinauswachsen und künftig auch in den harten Vertrieb einsteigen. Von Go-Euro darf man ähnliches erwarten. Denn das Unternehmen will mit finanzkräftigen Investoren im Rücken (u.a. Goldmann Sachs) einer der letzten „digital noch unerschlossenen Märkte“ aufrollen. Gerade hat der VRR den SPNV-Vertrieb europaweit ausgeschrieben. Ein Los umfasst die klassischen Kanäle, das andere innovative Lösungen. Auch der Rhein-Main-Verkehrsverbund hatte kürzlich Wettbewerb im Vertrieb in Gang gesetzt. (msa)

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Artikel Redaktion Bus&Bahn
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