Unerwartete Wendung in Gera

Dem Vernehmen nach haben sich vier ganz unterschiedliche Unternehmen für die Übernahme des insolventen alten Verkehrsbetriebes interessiert.

Statt zum Verkauf des insolventen, mit etwa 40 Mio. EUR verschuldeten Geraer Verkehrsbetriebs (GVB) an einen externen Investor könnte es in Gera nun zur Neugründung eines Kommunalunternehmens kommen. Im Stadtrat wurden entsprechende Pläne diskutiert.

Jetzt macht sich die Stadtverwaltung daran, nach einem externen Geschäftsbesorger zu suchen. Denkbar ist, dass man dabei auch jene Firmen anspricht, die sich Insolvenzverwalter Michael Jaffé als Partner für die GVB angedient hatten.

Nach unbestätigten Meldungen sollen vier Kandidaten Unternehmen ihren Hut für eine GVB-Übernahme in den Ring geworfen haben:
• DB Bus – hier ist man derzeit ganz massiv auf der Suche nach Neugeschäft im Stadtverkehr, siehe Pforzheim (ÖPNV aktuell 44/15),
• Transdev – das mit Görlitz bereits Erfahrungen aus dem Betrieb eines ostdeutschen Querverbundes vorweisen kann,
• Rhenus Veniro – der Konzern kann auf Zwickau verweisen, wo er bereits als externer Manager auftritt, sowie der
• Regionalverkehr Gera/Land (RVG) – der über vielfältige Verkehrsverflechtungen mit Gera verfügt und der durch die Geraer Tramexpansion massiv betroffen war, etwa durch Linienbrechungen in Langenberg.

Die diesbezüglichen Spannungen zwischen der Stadt und dem Umland sollte ein gemeinsamer Nahverkehrsplan entschärfen. Der Stadtrat hat das Werk erst im Juni fortgeschrieben, zunächst ohne Einvernehmen mit dem RVG-Eigentümer Landkreis Greiz.

Auf diesen neuen Nahverkehrsplan mit reduziertem Angebot gründet Gera seine europaweit verkündete Direktvergabeabsicht. Danach soll der Stadtverkehr ab 1. Oktober 2016 für 20 Jahre an einen ungenannten „internen Betreiber“ gehen, über den die Stadt Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle haben wird.

Genau diese Vorgabe engt die Spielräume des Insolvenzverwalters Jaffé bzw. der GVB-Kaufinteressenten ein.

Würde die Direktvergabe an den GVB gehen, müssten sich zwangsläufig mit der Rolle eines untergeordneten Partners zufrieden geben.
Denn das EU-Recht schreibt die kommunale Kontrolle über den Verkehrsbetrieb wie über eine eigene Dienststelle vor. Deswegen war Gera klug beraten, zwar die geplante Direktvergabe anzukündigen, nicht aber das Unternehmen zu benennen, das es erhalten soll.

Die jetzt diskutierte Lösung – Direktvergabe an einen internen Betreiber plus externen Betriebsführer – verspricht nicht nur klare Verhältnisse, sondern bewahrt der Kommune großen Einfluss und schafft die Voraussetzung einer Win-win-Situation, auch für den partner aus der Wirtschaft.

Das zeigt bereits der Blick auf die Restrukturierung durch den Insolvenzverwalter. Nachdem die Kanzlei Jaffé bei den GVB das Regime übernommen, den Fahrplan und das Personal ausgedünnt hat, ist der Zuschussbedarf um 2 Mio. EUR gesunken. Diese Einsparung war gerade genug, damit Gera seinen auf der Kippe stehenden Haushalt nun doch noch verabschieden konnte – im zweiten Anlauf.

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Artikel Redaktion Bus&Bahn
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