Sommer: Unzuverlässigkeit der DB hat Folgen

"Die zunehmende Unzuverlässigkeit im Bahnverkehr schadet dem gesamten Öffentlichen Verkehr in Deutschland." Diese Feststellung trifft der Verkehrswissenschaftler Prof. Dr. Carsten Sommer.

Sommer, Leiter des Fachgebiets Verkehrsplanung und Verkehrssysteme der Universität Kassel, steht auch an der Spitze des Arbeitsausschusses "Öffentlicher Verkehr" (ÖV) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV). Dieser hatte jüngst "Empfehlungen für einen verlässlichen öffentlichen Verkehr" veröffentlicht. Da insbesondere die Deutsche Bahn immer häufiger nicht in der Lage sei, verlässliche Leistungen anzubieten, wolle der Ausschuss "wachrütteln, damit die Weichen im System Bahn richtig gestellt werden", begründet Sommer die Vorlage eines Papiers mit dem Titel "Stellungnahme zur Situation des Schienenpersonenverkehrs im Herbst 2018".

Der Wissenschaftler begrüßt, dass die Politik die Bahn stärken und diese bis 2030 den "Deutschland-Takt" einführen wolle. Doch das gegenwärtige System "Bahn" bewältige schon die bisherige Leistungssteigerung nicht, und in "zunehmenden Umfang beeinflussen Bau- und Instandhaltungsarbeiten den Betrieb". Um die Situation nicht weiter zu verschärfen, sondern eine Normalisierung zu ermöglichen, sollte eine Reduktion des Angebots "für eine begrenzte Zeit kein Tabu sein". Mit "Vorrang" sei zu klären, welche Netzbelastungen für einen stabilen und pünktlichen Betriebsablauf "tatsächlich verträglich sind", und welche Reserven nötig sind, um wieder zuverlässig und pünktlich fahren zu können. Für die Fachleute "muss die Frage erlaubt sein, ob das zu schaffen ist", angesichts der gegenwärtig nicht akzeptablen Qualität in relativ kurzer Zeit die angestrebte Verdoppelung der Nachfrage zu erreichen. Nötig sei die "systematische Ableitung von Maßnahmen im gesamten Verkehrssystem" einschließlich des Individualverkehrs, um das Nachfrageziel im Schienenverkehr zu erreichen. "Die angestrebte Verdoppelung des Schienenverkehrs setzt eine Analyse des Gesamtsystems von öffentlichem und Individualverkehr voraus", betont Sommer.

Weniger als 70 Prozent der Ankünfte seien nach jüngsten Angaben der DB pünktlich. "Der Trend weist abwärts. Eine nachhaltige Verbesserung scheint nicht in Sicht", heißt es im Papier. Zudem sage der Pünktlichkeitswert für den einzelnen Zug nichts darüber aus, mit welcher Pünktlichkeit der Fahrgast sein Ziel erreiche, wenn er seinen Anschluss verpasse. Als einen wesentlichen Grund für die Unpünktlichkeit nennen die Fachleute neben Ressourcenproblemen die immer länger werdenden Abfertigungszeiten für die Züge in Bahnhöfen. Diese seien nicht nur eine Folge der steigenden Zahl an Fahrgästen, sondern auch der Fahrzeugtechnik und der Gestaltung der Fahrzeuge. Die Experten werfen die Frage auf, ob die Bahn etwa hinreichend berücksichtige, dass dank eines durchgängig barrierefreien Systems immer mehr Menschen reisen, die wegen ihres Alters oder ihrer Bewegungseinschränkungen mehr Zeit beim Ein- und Aussteigen benötigten.

Die Unzuverlässigkeit der Bahn habe Einfluss auf den gesamten ÖV. Es werde über Jahre erhebliche Anstrengungen erfordern, um die Lage zu stabilisieren oder zu verbessern. Die Beiträge, die der technologische Wandel dazu leisten könne, sollten nicht überschätzt werden. (mab/NaNa)

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Artikel Redaktion Bus&Bahn
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