„Aufhebung der unsinnigen Trennung von Nah- und Fernverkehr"

Dass demnächst Regionalisierungsmittel (RegMittel) für den Nahverkehr in Millionenhöhe in eigenwirtschaftliche, aber bedrohte IC-Verbindungen von DB Fernverkehr umgelenkt werden, stößt dem Wettbewerberverband Mofair übel auf. Hauptgeschäftsführer Engelbert Recker begründet gegenüber „ÖPNV aktuell“, warum er die Kooperation des „roten Riesen“ mit den SPNV-Bestellern LNVG Niedersachsen und Land Bremen (ÖPNV aktuell 63/11) und eventuell folgende Projekte dieser Art für grundfalsch hält. Im Gespräch mit Christoph Müller und Markus Schmidt-Auerbach tritt er außerdem für juristisch und ökonomisch saubere Eigenwirtschaftlichkeit im Fernbusverkehr ein.

Wie steht Mofair zu dem Kooperationsmodell von DB Fernverkehr, LNVG Niedersachsen und Land Bremen?

Engelbert Recker: DB Fernverkehr befördert Passagiere mit Nahverkehrstickets. Was am IC-Fahrpreis fehlt, zahlen die Aufgabenträger. Die DB hat vollere Züge und bei Nahverkehrsangeboten können Kosten gespart werden. Also alles gut? Aber nein! Das ist keine Lösung für die grundsätzliche Antwort auf die Frage, welche Fernverkehrsangebote in den Randlagen benötigt und wie sie finanziert werden. Deutlich wird, dass die Abgrenzung Fernverkehr zu Nahverkehr willkürlich ist und dass Fernverkehr nicht immer eigenwirtschaftlich ist.

Sehen Sie den SPNV-Wettbewerb durch solche Modelle gefährdet?

Recker: Ja. Wer bietet denn heute Fernverkehr an? Aufgrund der Bedingungen der DB nur die DB. Diese Regelung verringert den Wettbewerbsmarkt SPNV zugunsten der DB. Es kann nicht sein, dass die DB erst Leistungen im Fernverkehr abbaut, um dann unter Nutzung der RegMittel für den SPNV den Wettbewerb sowohl im Nah- wie im Fernverkehr zu verringern. Dieses Verfahren stärkt die DB und schwächt den Wettbewerb.

Wie steht Mofair zu dem Kooperationsmodell von DB Fernverkehr, LNVG Niedersachsen und Land Bremen?

Recker: Ob es wirklich kostengünstig ist, wird sich zeigen. Ist es wirklich Mehrverkehr? Doch wohl eher Wenigerverkehr! Der SPNV fällt weg. Die Aufgabenträger verringern, um kurzfristiger Finanzvorteile willen, den Wettbewerb. Das dürfte langfristig nicht in ihrem Interesse sein. Die Differenzkosten zulasten der Aufgabenträger werden steigen. Am Ende steht subventionierter Fernverkehr zugunsten der DB.

Kann diese Kooperation Modellcharakter für andere Randregionen Deutschlands haben?

Recker: Nein. Weil Fern- und Nahverkehr unterschiedlich finanziert werden, kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen Nah- und Fernverkehr, zwischen DB und privaten Verkehrsunternehmen. Die Aufgabenträger sollten sich für die Aufhebung der unsinnigen Trennung von Nah- und Fernverkehr einsetzen. Erst muss der Bedarf an Eisenbahnverkehr definiert werden, dann darüber entschieden werden, wie er zu erbringen ist, und zuletzt darüber, ob und welche Zuschüsse er braucht. Braucht er Zuschüsse, müssen die allen Anbietern offen stehen und alle müssen auch Fernverkehr anbieten können. Deshalb setzen sich die Aufgabenträger ja für den Deutschlandtakt ein. Die Verkehrsleistungen und das Angebot an Schienenverkehr könnten so kostengünstig erhöht werden.

Im Schienenverkehr betrachtet Mofair die Trennung in einen eigenwirtschaftlichen Fern- und einen gemeinwirtschaftlichen Nahverkehr als unsinnig, auf der Straße treten Sie dagegen für eine Komplettliberalisierung der Fernbusverkehre ein. Wie passt das zusammen?

Recker: Eisenbahnfern- und -nahverkehr fahren gemeinsam auf einem von der öffentlichen Hand finanzierten Netz. Da gibt es vielfältige Möglichkeiten, Verkehre eigenwirtschaftlich oder nicht eigenwirtschaftlich zu gestalten oder zu rechnen. Diese Möglichkeit besteht bei dem Busverkehr nicht. Nahverkehr und Fernverkehr mit Bussen kommen sich nicht in die Quere.

Wie zufrieden sind Sie mit den Vorschlägen der Bundesregierung zur Freigabe innerdeutscher Fernbuslinien?

Recker: Eine Reihe unserer Vorstellungen sind berücksichtigt. Allerdings hält der Kabinettsentwurf der PBefG-Novelle an der Betriebspflicht für Fernbusse fest. Hier muss unbedingt nachgebessert werden. Nach EU-Recht ist die Betriebspflicht eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung. Damit würden innerdeutsche Fernbuslinien zwangsläufig unter die EU-Verordnung 1370/07 fallen. Das würde nicht zur Liberalisierung, zum Wettbewerb um den Fahrgast führen, sondern staatlich organisierten Fernbusverkehr zur Folge haben. Das lehnen wir ab. Der Staat soll nur prüfen, ob ein Unternehmen die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt. Ob und welche Fernbuslinien es anbietet, ist allein seine Sache.

Personen & Positionen
Interview von Ausgabe 66/11
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