Bessere Schiene für die Wende

Der Investitionsumfang für das Bestandsnetz ist aus Sicht des Beirats zu gering; Foto: DB AG/Christian Bedeschinski

Nach dem pandemiebedingten Einbruch erholen sich die Verkehrsmärkte und setzen den Wachstumskurs fort – treffen jedoch auf eine rückläufige und im Zustand nachlassende Infrastruktur. Diese Feststellung trifft der Netzbeirat der DB Netz AG.

Angesichts der sich weiter verschärfenden Situation im Schienenverkehr appelliert das Gremium, dass sich alle relevanten Akteure für zeitnahe, nachhaltige und messbare Verbesserungen einsetzen. „Mit großer Sorge“ beobachtet der Netzbeirat das zunehmende Auseinanderfallen von Nachfrage und Angebot an Schieneninfrastrukturkapazitäten. Die „Bahnreform“ habe für den Personennah- und Güterverkehr einen Startpunkt für zum Teil erhebliches Wachstum bedeutet, das in den vergangenen Jahren erzielt werden konnte. Bis zum Beginn der Pandemie konnten laut Netzbeirat jeweils etwa 80 Prozent mehr gefahrene Verkehrsleistungen registriert werden. Andererseits werde zeitgleich das Angebot an Kapazität bis in die jüngste Vergangenheit abgebaut. Die Gleislänge wurde seit 1994 um 20 Prozent reduziert. Beispielsweise sei die besonders kapazitäts- und flexibilitätsrelevante Anzahl von Weichen und Kreuzungen mehr als halbiert worden.

Wie ein mit dem Netzbeirat abgestimmtes Kennzahlensystem zeige, konnte die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV I bis III) die Alterung der Schienenwege nicht stoppen. Diese Entwicklung führte zu einer Verschlechterung des Netzzustands in einigen kritischen Gewerken (etwa Brücken, Gleise, Weichen) bei gleichzeitig steigendem Bau- und Störgeschehen. So überrasche es nicht, dass die Qualitätskennzahlen – unter anderem Pünktlichkeit – 2022 historische Tiefstwerte aufweisen. In diesem Zusammenhang sei auch auf den Umfang der Investitionen ins Bestandnetz hinzuweisen. Er habe 2020 zwar circa 5,4 Mrd Euro erreicht. Diese Summe sei jedoch nicht zuletzt mit Blick auf die jüngsten Kostensteigerungen zu gering – so sei laut Infrastrukturzustandsbericht der Nachholbedarf aller Anlagen-Cluster allein der DB Netz AG auf inzwischen mehr als 51 Mrd Euro angestiegen.

Diese erforderliche Aufholbewegung bedeute laut Beirat auch weiterhin viele Baustellen, deren Organisation angesichts der bereits bestehenden Kapazitätsengpässe gegenüber dem Status quo geändert werden müsse.

Es bestehe dringender Handlungsbedarf, das Bewirtschaftungsmodell der Infrastruktur dahingehend zu überarbeiten, dass der Trend umgekehrt wird und sich die Zustandsnoten der Infrastruktur deutlich verbessern. Der Netzbeirat begrüßt dabei ausdrücklich, dass DB Netz entlang eines mit der Branche abzustimmenden Portfolios an Hochleistungskorridoren diese konzertiert bis 2030 in den Zielzustand bringen will. Dabei folge man dem Vorschlag des Netzbeirats, eine umfassende Zustandsbewertung mit Blick auf Substanz und Verfügbarkeit nach Schweizer Vorbild für alle Gewerke einzuführen. Dieses Vorgehen müsse angesichts der hohen betrieblichen Eingriffe bis hin zu Vollsperrungen eng mit der Verkehrsbranche abgestimmt werden. Dieser Schulterschluss werde gelingen, wenn durch dieses Vorgehen sich die bisherige Entwicklung umkehrt und nachweislich der Zielzustand in Bezug auf Verfügbarkeit und Substanz erreicht wird. Diese „bessere Schiene“, betont der Beirat, ist die Voraussetzung dafür, dass die Verkehrswende gelingen kann. (mab)

Infrastruktur
Artikel Redaktion Bus&Bahn
Artikel Redaktion Bus&Bahn