„Die lokale Ebene ist häufiger als früher zu Abstrichen bereit“

Dirk Dannenfeld berät als Mitglied des Convia-Netzwerks ÖPNV-Kommunen und Unternehmen – nicht nur, aber überwiegend aus dem Mittelstand. Der Absolvent der Hochschule Heilbronn war vor dem Sprung in die Selbständigkeit lange Jahre ÖPNV-Referent im Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer (WBO). Der Firmensitz im Schwarzwald zeugt von der anhaltenden Liebe zum Südwesten. Der gebürtige Hesse gehört zu den Mitbegründern der Omnibusfreunde Marburg. Mit ihm hat Chefredakteur Markus Schmidt-Auerbach gesprochen.

Herr Dannenfeld, wo erreiche ich Sie?
Dirk Dannenfeld: Im Auto, auf dem Weg von der Beratung eines Mittelständlers in mein Büro in Waldkirch.
Ich möchte mit Ihnen über die Erfolgserie privater Busunternehmer im ÖPNV-Wettbewerb des Jahrs 2013 sprechen – und darüber, ob sie sich 2014 fortsetzen kann. Welche Mittelständler sind gewachsen? 
Dannenfeld: Mit unserem Convia-Team haben wir die Leistungsvolumina der Betreiberwechsel zum neuen Fahrplanjahr analysiert. Demnach ist der Mittelstand tatsächlich der große Gewinner: 42 % der im Wettbewerb zu vergebenden Leistungen waren diesem Branchenlager zuzurechnen. Dieses Volumen konnte der Mittelstand nicht nur verteidigen, sondern auch beträchtlich ausbauen. Dabei ist jedoch zu bemerken, dass der Mittelstand im Ausschreibungswettbewerb anders aussieht als früher. Erfolgreich sind vor allem größere, regional tätige Unternehmen.
Gewinne der einen – Verluste der anderen. Wer sind diese anderen? 
Dannenfeld: In der Tat hat DB Regio Bus nur gut die Hälfte seines bedrohten Volumens verteidigen können. Auch kommunale Unternehmen gaben Marktanteile ab. Hier schlägt sich insbesondere der Wettbewerb in Unterfranken nieder, namentlich im Landkreis Würzburg. Drittens hat sich Veolia Verkehr wenig ambitioniert gezeigt, Bestandsleistungen zu behaupten. Offenbar will man die Strategie des neuen Eigentümers abwarten.
Wird der Mittelstand von einem Trend zu mehr Wettbewerb weiter profitieren? 
Dannenfeld: Neben die alten regionalen Brennpunkte – Hessen, Schleswig-Holstein, VRN und MVV – treten neue, vorwiegend im Umfeld von Oberzentren wie Augsburg oder Karlsruhe. Aufgabenträger in eher ländlichen Räumen sind nach wie vor zögerlich, suchen eher Konsenslösungen als die scharfe Konkurrenz. Daneben zeichnet sich auch eine gewisse Abkehr vom Wettbewerb ab: Selbst in Regionen, die bislang klar für Ausschreibung waren, wird nun häufiger über Direktvergaben oder die Rückkehr zu eigenwirtschaftlichen Angeboten diskutiert.
Worin liegen die Ursachen?
Dannenfeld: Zum einen landen im Ausschreibungswettbewerb die unternehmerischen Risiken des ÖPNV zwangsläufig in den Kreishaushalten – egal ob im Brutto- oder Nettovertrag. Vor allem im ländlichen Raum können und wollen das viele Aufgabenträger nicht übernehmen bzw. sehen keinen Mehrwert darin. Zum andern befürchten offenbar viele Aufgabenträger, dass der Markt enger wird und damit die Preise steigen. Mehrere ausländischer Verkehrskonzerne haben ja bereits erklärt, dass ihnen der deutsche Busmarkt keine Freude macht. Auch häufen sich die Fälle, wo Aufgabenträger nach Angebotseingang überrascht feststellen, dass ihr Wunschkonzert deutlich mehr kosten wird als erwartet. Dann werden Ausschreibungen aufgehoben, Leistungsvolumina überarbeitet und am Ende wird doch wieder mit dem Altbetreiber verhandelt.
Bei Convia haben wir auch festgestellt, dass die lokale Ebene aus Etatgründen sich häufiger als früher zu Abstrichen am eigenen Nahverkehrsplan bereit zeigt. Sogar in meiner alten Heimat Hessen vollziehen ländliche Landkreise in der zweiten Ausschreibungsrunde inzwischen einen Schwenk – weg von der Angebots- und hin zur Nachfrageorientierung.
In Hessen dreht der bedeutendste Gegner Ihrer Mittelständler inzwischen auf. DB Regio Bus hat den Gewinn einer der bislang größten Ausschreibungen bundesweit bestätigt und wird im Frankfurter „Linienbündel B“ den bisherigen Traffiq-Partner In-der-City-Bus (ICB) ablösen, wie wir vorab in unserer Ausgabe 6/13 schon gemeldet haben. Der Regionalchef von DB Regio Bus, Friedrich-Wilhelm Rademacher, meint, dieser und weitere Ausschreibungserfolge zeigten, man sei „auf dem richtigen Weg“. Sehen Sie das ähnlich?
Dannenfeld: Die Leistungsverluste an den Mittelstand haben offensichtlich zu einem Umdenken geführt. DB Regio Bus scheint in etlichen Wettbewerbsverfahren heute knapper zu kalkulieren als noch vor wenigen Monaten. Außerdem werden inzwischen wieder eigenwirtschaftliche Anträge in Linienbündeln gestellt, in denen man vor nicht allzu langer Zeit noch einen öffentlichen Dienstleitungsauftrag für erforderlich hielt. Ob diese Strategie letztlich hält, muss man sehen.

Personen & Positionen
Interview von Ausgabe 7/14
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