„Wir werden uns das genau ansehen“

Der deutsche Markt ist für Keolis weiterhin ein Schlüsselmarkt, auch wenn Betrieb und Ergebnis dort noch zu wünschen übrig lassen, wie der für das außerfranzösische Geschäft zuständige Vorstand Bernard Tabary im Gespräch mit „ÖPNV aktuell“ bekannte. Er bestätigt Interesse für deutsche Filialen von Veolia Verkehr, ohne Details zu nennen. International will der französisch-kanadische Konzern seine Präsenz in den Schwellenländern verstärken. Mit Tabary hat unser Paris-Korrespondent Ralf Klingsieck gesprochen.

Sind Sie in Europa an einer Übernahme von Tochterunternehmen von Veolia Transdev (VTD) und speziell von Veolia Verkehr in Deutschland interessiert?

Bernard Tabary: Der Verkauf der Tochterunternehmen von Veolia Transdev in Europa hat sich bislang auf Busverkehrsunternehmen in Osteuropa beschränkt. Das interessiert uns nicht, Osteuropa gehört nicht zu unseren Entwicklungsrichtungen. Sobald die Unternehmen in Deutschland, in Schweden, in den Niederlanden und in Belgien auf den Tisch kommen, werden wir uns das genau ansehen. Bislang liegen noch keine konkreten Informationen und keinerlei Zahlen vor. 

Aber prinzipiell interessieren Sie sich für die VTD-Filialen in Deutschland? Was reizt Sie mehr, der Bahnkorridor im Westen von Bremen über Nordrhein-Westfalen bis Mainz – hier hätte Keolis an seine Verkehrsgebiete in Frankreich und den Niederlanden? Oder interessiert Sie mehr der Korridor im Osten von Westerland über Hamburg, Ostdeutschland bis Bayern?
 
Tabary: Das verfolgen wir mit großem Interesse, aber völlig unvoreingenommen. Für Präferenzen ist es heute noch viel zu früh. Denn noch ist ja völlig offen, was angeboten wird und unter welchen Bedingungen. Immerhin handelt es sich ja um Gemeinschaftsunternehmen von Veolia und Transdev. Aber all das wird sich ja wohl in den nächsten Wochen klären.
 
Wie sind sie mit Ihren Aktivitäten in Deutschland zufrieden?

Tabary: Wir haben drei regionale Bahnunternehmen mit einem Gesamtumsatz von etwa 100 Mio. EUR. Die sind für uns von großem Belang, da die Bahn in Deutschland eine große Tradition und Bedeutung hat. Für uns ist es sehr wichtig, hier präsent zu sein. Was das operationelle und finanzielle Ergebnis unserer Unternehmen hier betrifft, so lassen die noch zu wünschen übrig. In nächster Zeit konzentrieren wir uns hier darauf, diesen Zustand zu ändern.
 
Welche Schwerpunkte hat Keolis 2012 im Auslandsgeschäft gesetzt?

Tabary: Bei der Entwicklung des Auslandsgeschäfts haben wir den Schwerpunkt auf das organische Wachstum gelegt, das heißt den Gewinn neuer Verträge in allen Gebieten, also bei Bahn, Metro, Bus und Tram. Wir sind auf den Fahrgast ausgerichtet und für ihn nutzen wir alle Verkehrsträger. Unsere Entwicklung im Ausland haben wir bisher von vier Plattformen – Kontinentaleuropa, Großbritannien, Nordamerika und Australien/Neuseeland – aus betrieben. Dazu kommen jetzt als neue Schwerpunkte Indien/Asien, Mittlerer Osten und Brasilien hinzu.

Keolis hat einen Metro-Auftrag im indischen Hyderabad errungen. War dies das Hauptereignis des vergangenen Geschäftsjahres?

Tabary: Das war wirklich das spektakulärste Ereignis, denn dabei handelt es sich immerhin um unsere erste Metro außerhalb Europas. Indien ist ein vielversprechender Markt mit 47 Millionenstädten und hat einen großen Bedarf an modernen Verkehrslösungen angesichts der dynamisch fortschreitenden Urbanisierung. Das ist ein Vertrag, den wir gegen starke Konkurrenz aus Großbritannien, Amerika und Asien gewonnen haben. Unser Partner ist dabei ein öffentliches indisches Unternehmen. 

Sie haben Ihren Fuß auch auf den chinesischen Markt gesetzt. Wie sind Ihre Pläne dort?

Tabary: Wir haben in Wuhan eine Basis eröffnet, wo wir mit der städtischen Entwicklungsgesellschaft am Projekt eines multimodalen Nahverkehrsterminals für den neuen Flughafen arbeiten. Das schließt dort den Schienenfernverkehr, die Metro und den Bus ein. Außerdem interessieren wir uns für die großen Pläne, die die Stadt für den Ausbau ihres Stadtbahn-Netzes hat, zumal wir auf diesem Gebiet international anerkannte Kompetenzen haben. 

In Südamerika konzentrieren Sie sich nur auf Brasilien?

Tabary: Ja. In Brasilien verfolgen wir mit großem Interesse die Pläne für neue Metro- und Tram-Linien und -Netze. Unsere Ambitionen verlaufen hier parallel und abgestimmt mit unserer Mutter, der SNCF, die sich vor allem für die geplanten Hochgeschwindigkeitsverkehre interessiert.

In Brasilien ebenso wie im Mittleren Osten sind die Vorhaben also zunächst noch im Stadium der Marktstudien?

Tabary: Ja, das sind vorläufig erst noch langfristige Vorbereitungen von Projekten, die uns interessieren und in die wir unsere Kompetenzen einbringen wollen. Im Mittleren Osten betrifft das sowohl Saudi Arabien als auch die Golfstaaten und hier vor allem Katar.

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Interview von Ausgabe 26/13
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