BDO setzt auf Schlichtung zur Barrierefreiheit

Trotzdem hofft der BDO weiter auf eine Verständigung von Politik, Behörden, Behindertenverbänden und Fernbusbetreibern. Unter dem Motto: „Wir ziehen die Barrierefreiheit vor“ sollen zwei Schlichter versuchen, Konsens über ein Netz mit garantiert rollitauglichen Verbindungen herbeizuführen. Profiteur wäre auch die deutsche Industrie. Der BDO hat das Moratorium zur Barrierefreiheit im Fernlinienverkehr noch nicht aufgegeben – auch wenn die von einer Arbeitsgruppe aus Betreibern und Behindertenvertretern abschlussreif verhandelte Dokument auf den letzten Metern vom Deutschen Behindertenrat (DBR) abgelehnt wurde (ÖPNV aktuell 31/15).

„Wir werben um eine Schlichtung nach dem Vorbild von Tarifauseinandersetzungen“, sagte die BDO-Leiterin Recht Anja Ludwig zu „ÖPNV aktuell“. Danach sollten Behinderte und Betreiber jeweils einen unabhängigen Vermittler benennen, die letzte strittige Punkte ausräumen und so einen Kompromiss herbeiführen könnten. „Eine Einigung muss auch nicht Moratorium heißen“, sagte Ludwig weiter.

„Wichtig ist, dass alle Seiten mit der Neuregelung besser fahren als mit den gesetzlichen Vorgaben.“ Auch der DBR kann dem Vorschlag eines Grundnetzes mit garantiert barrierefreien Verbindungen auf zunächst elf Hauptachsen einiges abgewinnen.

Aber in einem Brief an den BDO verhehlte die Spitzenorganisation auch nicht die Sorge, dass die Busbranche abermals auf Zeit spielen würde. Zum Ende des ab 2016 laufdenen vierjährigen Moratoriums, lautete die Befürchtung der Behindertenverbände, würde womöglich die nächste Moratoriumsforderung der Fernbusbetreiber ins Haus stehen, die dann das Stichjahr 2020 unterminieren würde.

Im Herbst sollen weitere Gespräche stattfinden, der BDO setzt unter anderem auf die Einbindung des Bundesverkehrsministeriums. Nach § 42b, § 62 PBefG müssen neue Busse „im Personenfernverkehr“ ab 2016 barrierefrei sein und mindestens zwei Rollstuhlplätze aufweisen. Ab 2020 gilt die Vorschrift für alle Fernbusse, also auch Altfahrzeuge.

„Die Sorge, dass die Frist 2020 in Frage gestellt wird, ist völlig unbegründet“, betont BDO-Vertreterin Ludwig. Natürlich würden die Betreiber auch die gesetzlichen Vorgaben für 2016 einhalten. Aber ein Moratorium hätte den Vorteil, vom Gesetzgeber nicht bedachte Probleme konstruktiv zu lösen.

Ausdrücklich seien die Fernbusbetreiber auch bereit, die Zahl ihrer barrierefreien Busse und Verbindungen während der Moratoriumslaufzeit zu erhöhen, um schließlich die vom Gesetzgeber geforderte kompletten Barrierefreiheit zu erreichen. „Klar ist auch: Ein garantiert barrierefreies Grundnetz führt dazu, dass die praktisch erfahrbare Barrierefreiheit schneller erreicht wird, als vom Gesetzgeber bislang vorgegeben.“

Derzeit sei die Industrie noch gar nicht in der Lage, serienmäßig Busse mit zwei Rollstuhlplätzen zu liefern, heißt es beim BDO weiter. Ein Moratorium würde es auch den deutschen Busherstellern erleichtern, ihre Prozesse planmäßig und schrittweise auf die neuen Herausforderungen einzustellen, Produktion und Absatz besser zu planen. Nicht zuletzt würde eine Übergangsfrist auch dem Gesetzgeber die Anpassung erleichtern. Beim BDO weist man beispielsweise darauf hin, dass die BOKraft und andere Verordnungen derzeit noch die Mitnahme von „gefährlichen“ Stoffen verbieten. Darunter fielen zum Beispiel bestimmte Batterietypen von Elektrorollstühlen oder bestimmte Druckgasflaschen.

Weitere Probleme ergeben sich daraus, dass bislang die Haltestelleninfrastruktur noch nicht angepasst ist. Bundesweit seien nur zwei Fernbushaltestellen vollständig barrierefrei.

Für den Wunsch nach einem Moratorium sind allerdings auch betriebswirtschaftliche Argumente auf Seiten der jungen, unter hohem Wettbewerbsdruck stehenden Fernbusbranche maßgeblich. Die Umstellung auf Barrierefreiheit verursacht zusätzliche Kosten, etwa für Hublifte. Dazu kommen die befürchteten Einnahmeverluste durch den Wegfall von Sitzplätzen. Vertreter von Postbus und MFB haben die Ausgangslage zuletzt auf dem RDA-Workshop noch einmal öffentlich ausgeführt.

Politik & Recht
Artikel Redaktion Bus&Bahn
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